Rezension

Das Mazursche Schweigen

Luzies Erbe - Helga Bürster

Luzies Erbe
von Helga Bürster

~~Luzies Erbe – Helga Bürster

"Was auch immer passiert war, was auch immer sie sich angetan hatten, es hatte sie gegeben, diese Liebe." Seite 189

Wie man an obigem Zitat schon erkennen kann, geht es in diesem Roman um eine große Liebe. Doch es geht noch um viel mehr. Johannes Großmutter Luzie stirbt fast hundertjährig und hinterlässt einen Koffer voller Erinnerungen. Nun endlich macht sich die Enkelin daran, den Familiengeheimnissen der Familie Mazur auf den Grund zu gehen. Denn Luzie hat sich damals im Krieg in den falschen Mann verliebt, in einen Polen. Diesen Verstoß gegen die damals geltenden Rassengesetze hat ihr das Dorf niemals verziehen.
Aus der lebenslustigen Luzie wurde im Laufe der Zeit eine verbitterte Frau und nicht nur das. Eine große Unfähigkeit Liebe zu zeigen und zu geben, wird noch über Generationen weitergegeben. Aus dem Mazurschen Schweigen wird der Mazursche Schmerz. Oder andersrum.
Und so ist nicht nur ein alter Koffer Luzies Erbe, sondern auch dieses Mazursche Schweigen.
4 Generationen von Frauen, die versuchen, viel zu spät ihren eigenen Weg aus dem Schweigen zu finden.

Ist Anfangs deutlich ein lockerer, humorvoller Unterton in der Geschichte erkennbar, so dominiert im weiteren Verlauf immer mehr ein tieftrauriger und melancholischer Grundton. Diese Veränderung findet parallel zur Resignation Luzies statt. Die Geschichte einer großen Liebe, die keine Chance hatte in Zeiten der Rassentrennung wird hier sehr gefühlvoll erzählt. Wie so oft im Leben hätte man jedoch mit einer besseren Kommunikation untereinander manches Leid verhindern können.
Letztendlich hat mir aber inhaltlich doch die eine oder andere Information zur Auflösung gefehlt, bzw. war der ein oder andere Grund war für mich nicht ganz überzeugend oder ausreichend.

Faszinierend, wie eine doch recht nüchterne Sprache mit plattdeutschen Einschüben eine solch starke Emotionalität transportieren kann. Sprachlich hat mir das Ganze sehr gut gefallen. Die Autorin hat einen angenehm unaufgeregten, trotzdem oft beinahe poetischen Erzählstil. Einfach schön.
Man muss aber dennoch aufpassen, oder gerade deshalb, dass man alles mitbekommt, denn die Informationen kommen Schlag auf Schlag. Und beinahe unauffällig.

Das Nachwort hält schließlich noch eine Überraschung bereit: So ist dieser Roman keine ganz und gar erfundene Geschichte, sondern es ist im Wesentlichen die Geschichte von Bürsters Großeltern. Diese Tatsache lässt mich einiges nochmal mit anderen Augen sehen.
Insgesamt lässt mich dieses Buch tief berührt zurück. 4,5 Sterne.