Rezension

Das Museum der verlorenen Dinge

Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge - Ruth Hogan

Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge
von Ruth Hogan

Bewertet mit 5 Sternen

          Ruth Hogan gelang mit ihrem Debütroman ein wundervolles Werk. Im Klappentext erfährt der Leser, dass sie durch einen schweren Autounfall und durch eine Krebserkrankung zum Schreiben fand. Die Geschichte um „Mr. Peardews Sammlung verlorener Dinge“ zeichnet sich vielleicht auch deshalb, wegen der traumatischen Erlebnisse, durch eine besondere Sensibilität aus.
Der Roman beginnt recht ausgefallen und entbehrt nicht einer gewissen Komik. Der alleinreisende Charles Bramwell Brockley wird in einer Keksdose im Zug von London Bridge nach Brighton gefunden. Er hat großes Glück, dass er Anthony Peardew in die Hände fiel. Ansonsten wäre seine Asche in dem Behältnis in den nächsten Abfalleimer gewandert. Stattdessen erhält die Huntley & Palmers Keksdose einen geordneten und beschrifteten Platz in Andrews Sammelsurium gefundener Dinge. Vor 40 Jahren begann er mit dieser seltsamen Marotte, nachdem er das Liebespfand seiner Verlobten Therese verlor und sie am gleichen Tag bei einem Unfall verstarb.
Anthony Peardew, so heißt also die Hauptperson des Romans. Er und seine verlorenen Dinge sind der Dreh- und Angelpunkt im Buch. Die Geschichte spielt in zwei Zeitebenen. Die eine Ebene beginnt in den siebziger Jahren (1974/1975) und bezieht Personen wie Eunice, Bomber, dessen Eltern und seine Schwester Portia mit ein. Deren Lebensläufe, Schicksale verflechten sich stetig mit der Handlung um Anthony und seine Fundstücke und führen bis zur Gegenwart.
Die andere Zeitebene spielt in der Gegenwart und bindet die Personen um Laura ein, Freddy, der Gärtner von Anthony, Sunshine, das junge Mädchen mit Down-Syndrom.
Wie ein roter Faden verbinden die verlorenen Gegenstände Gegenwart und Vergangenheit.
Laura, eine junge, geschiedene Frau Mitte dreißig, erledigt für Anthony den Haushalt und hilft ihm bei der Buchhaltung. Sie fühlt sich wohl im „Padua“, in Anthonys Villa. Nach seinem unerwarteten, plötzlichen Tod teilt ihr sein Anwalt mit, dass sie nun Alleinerbin vom gesamten Besitz ist. Anthonys Vermächtnis an Laura war, dass einige der verlorenen Gegenstände irgendwann an ihre Besitzer zurückgegeben und ihrer Bestimmung übergeben werden können... Ob und wie das gelingt, ist äußerst lesenswert.

Die Autorin schuf einmalige, gleichermaßen anziehende (Sunshine, Bomber) wie auch abstoßende (Portia, Felicity) Charaktere.
Ruth Hogan schrieb ein Buch über das Leben, die Liebe in ihren unterschiedlichen, variantenreichen Erscheinungsformen, über das Verlieren und Finden von Gegenständen, aber auch von Menschen. Sie erzählt feinsinnig mit tiefem Humor und bissiger Ironie. Ihr gelingen außergewöhnliche Sätze, die mir lange im Gedächtnis bleiben werden.

Auf S. 76 „Eine ganz leichte Fontanelle in ihrem Charakter“.
Auf S. 90: „Seine Liebe war die Farbe ihrer Prellungen“.
Auf S. 144: „Wie kann ein Getränk, das nass ist, weil es ein Getränk ist, trocken sein?“

Manchmal traten mir vor lauter Rührung die Tränen in die Augen. Vor allem wegen Sunshine, das Mädchen mit dem „Daunendrom“. Meine Lieblingsfigur im Roman. Sie ist so ein unverstellter, liebenswerter Charakter, sehr warmherzig und äußerst mitfühlend. Sunshine ist der Grund, warum ich die übersinnlichen Sequenzen im Buch nachvollziehen kann und nicht als störend empfinde.
Ruth Hogan gelang es mit einer Leichtigkeit eine berührende Geschichte um eine große Liebe zu schreiben. Wie sie gefundene Dinge mit den Schicksalen von vielen Menschen neben den Hauptpersonen miteinander verbindet, das ist eine reife literarische Leistung.
Es ist schon das zweite Buch (neben „Der Freund der Toten“ von Jess Kidd) in diesem Jahr (2017), was mir außerordentlich gut gefällt.

Meine bedingungslose Leseempfehlung und fünf Sterne!