Rezension

Das muss gesehen werden ...

Ich sehe was, was niemand sieht - Tim O'Rourke

Ich sehe was, was niemand sieht
von Tim O'Rourke

Charley sieht Dinge, die sonst niemand sieht. Ihre Visionen sind wie Blitze, kurz und intensiv – ein Mädchen, Schreie, das Rattern eines Zugs. Charley ist felsenfest davon überzeugt, dass sie Verbrechen sieht, bevor sie geschehen. Niemand glaubt ihr, bis auf Tom. Der attraktive junge Police Officer bearbeitet gerade seinen ersten Fall: ein totes Mädchen, das auf Bahngleisen gefunden wurde. Während die Polizei noch nach der Todesursache sucht, hat Charley wieder Visionen: ein anderes Mädchen, Schreie, das Rattern eines Zugs ...

Rezension von lesekatzen.blogspot.de

 

Meine Meinung:

Ganz herzlichen Dank an Chicken House, dass ich ein Exemplar von »Ich sehe was, was niemand sieht« gestellt bekommen habe. Ich hatte es ja ehrlich schon wieder vergessen und war daher umso überraschter, als ich es aus meinem Briefkasten geangelt habe.

Das Buch kommt mit gewohnt guter Qualität daher. Saubere Verarbeitung und ein Cover, das ohne großen Schnickschnack auskommt. Aber, auf die Idee, wie man den Titel nun lesen muss, wenn man ihn aus Versehen vergessen hat, muss man erst noch kommen. Dank der tatkräftigen Unterstützung meiner Mit-Lesekatzen kamen wir dann darauf, wie bei StarWars am Anfang, nur andersrum – das macht Sinn.

Das Buch ist in zwei unterschiedliche Sichten eingeteilt, die beide aus der Ich-Perspektive erzählt werden, was mich zu Beginn erst ins Straucheln brachte, weil ich damit nicht gerechnet hatte. Aber das hindert nicht, denn in der Kapitelüberschrift, in welcher übrigens auch die Uhrzeit vermerkt ist, ist auch der Protagonist genannt, so dass ich gleich weiß, welches Ich da eigentlich vor mir habe.

Das Charley-ich ist schon sehr gebeutelt. Denn, nicht nur, dass sie ihre einzige Freundin verliert und ein Opfer von Mobbing wurde, hat sie sich dieses gesellschaftliche Grab auch noch mit eigenen Händen geschaufelt, denn sie ist anders. Sie kann sehen, was niemand sieht.
Toll! Toll! Toll!
Ich stelle ihre Gabe nicht in Frage, was ich nicht zuletzt auf diese nüchterne Einbindung zurückführe. Obwohl es etwas Übernatürliches ist, und es eben das Topthema nicht nur zu Hause bei Charley ist, gehört es eben dazu. Dennoch wirft es Fragen auf. Denn, was genau ist es denn nun?
Was? Was? Was?
Das andere Ich ist das von Tom Henson, dem jungen Kripo-Mitarbeiter. Und er weiß, was er tut, wenn er sich mal nicht tollpatschig im Schlamm suhlt.
Grins! Grins! Grins!
Er ist auf ganzer Linie sympathisch. Nicht nur, dass er Charley »auffängt« und die Lücke schließt, die ihre verstorbene Freundin hinterlassen hat, nein, er ist auch ein kleiner Kämpfer und Charmeur, er beweist Ellenbogen. Obwohl ich ja gestehen muss, er lässt sich ein wenig zu flott von Charleys Gabe überzeugen, oder anders gesagt, sie ist in meinen Augen ein wenig zu schnell zu offen.
Schnell! Schnell! Schnell!

Kommen wir aber zum eigentlichen Fall. Charley sieht und hält mit dem, was sich da in Blitzen in ihrem Kopf entlädt nicht hinterm Berg. Die Details, die nun gestreut werden, sind weise gewählt, das schon, jedoch war mir auch recht bald klar, was hinter der ganzen »Sache« steckt, besser gesagt, wer.
Wer! Wer? Wer!
Natürlich werde ich es hier nicht offenlegen, denn wer weiß, wer sich von den Fährten in die Irre führen lässt und ich würde der hervorragenden Polizeiarbeit vorgreifen, die mich gleichermaßen den Kopf schütteln lässt, Jackson, der Schuft, gleichsam aber auch staunen lässt. Hier sitzt ein Autor, der weiß, was er tut. Und wie er das weiß, denn, Tim O'Rourke ist Police Officer.
Wow! Wow! Wow!
Was der Autor in der Ermittlung und der Auflösung an Tempo aufbaut, lässt er allerdings hier und da durch etwas einfallslose Formulierungen ausbremsen. Warum? Naja, meiner Meinung nach, wird ein wenig einfallslos gesagt und gefragt. Immer und immer wieder. Ab und an wird auch gebrüllt, aber hauptsächlich sagt jemand etwas, nachdem jemand was fragt und der nächste wieder sagt. Ich finde, hier hätte man ein wenig mehr Abwechslung reinbringen können. Man kann ja auch antworten, erwidern, wissen wollen, nachhaken und und und. Eine Kleinigkeit, die jedoch auffiel.
Auffiel! Auffiel! Auffiel!
Dennoch peitschten kurze Sätze, nüchterne Beschreibungen, authentische Ausschmückungen durch den Text. Kaum hatte ich angefangen, war ich in der Mitte und Schwuppdiwupp am Ende, wo ich direkt mit dem exklusiven Kapitel um Kiera weiter angestachelt werde. Nur ein kurzer Ausschnitt, eine kurze Ermittlung, die es dennoch in sich hat. Und ich war echt überrascht bei der Auflösung.

Fazit:
Ich stehe Reihen ja eher skeptisch gegenüber, aber hier bin ich sicher, dass ich weitermachen muss, denn das offene Ende, das eigentlich abgeschlossen ist, aber auch jede Menge Fragen aufwirft, kann so nicht stehen bleiben.
Wenn der Autor in diesem Tempo anknüpft, so bin ich sicher, wird auch der zweite Teil ein spannendes Werk und vielleicht erfahre ich dann mehr über diese Blitze, die keinesfalls angenehm sein können.

Leseempfehlung! Leseempfehlung! Leseempfehlung!