Rezension

das nahende Ende und der Kampf gegen das Aussterben

Die Letzten ihrer Art - Maja Lunde

Die Letzten ihrer Art
von Maja Lunde

Bewertet mit 4 Sternen

Ich gebe ja zu: Ich bin ein Lunde-Fan oder zumindest irgendwas in der Richtung. Im letzten Herbst erschien nun im btb-Verlag der dritte Teil des Klimaquartetts und doch bin ich sehr überrascht. "Die Geschichte der Bienen" war wochen-, gar monatelang in den Bestsellerlisten verzeichnet und viele haben den Bienen ihre Aufmerksamkeit geschenkt. Bei "Die Geschichte des Wassers" wurde es dann bereits etwas ruhiger und von dem dritten Teil "Die letzten ihrer Art" habe ich kaum etwas vernommen. Und gerade das finde ich sehr, sehr schade. Vielleicht sehe ich das nur so, weil für mich die Bienen zwar interessant, aber im Vergleich zu den anderen am schwächsten war. "Die Geschichte des Wassers" war da irgendwie schon aktueller, realistisch vorstellbarer und zeigte viel mehr von der möglichen und nahenden Katastrophenzukunft. Leider war die Geschichte für mich nicht richtig rund bzw. nicht zu Ende erzählt, was ich damals sehr schade fand, aber jetzt mit Beendung des dritten Teils, gerade gut, denn die Tochter Louise taucht wieder auf und erzählt somit auch das abschließende Ende von Teil zwei. Und schon alleine deshalb hat sich dieses Buch für mich gelohnt, aber nicht nur das... es hat die nahende Katastrophe noch einmal von einer etwas anderen Seite gezeigt. Fern ab von Flüchtlingslagern, mit Blick auf die Tierwelt, das Wetter, die Nahrungsmittelknappheit, den eher vorstädtischen Kampf ums Überleben und den Beginn von etwas Neuem. Aber eins nach dem anderen...

 

In Maja Lundes Roman "Die letzten ihrer Art" gibt es wie immer drei verschiedene Erzählstränge.  Mit Michail Alexandrowitsch Kowrows Bericht reisen wir in die Vergangenheit, um genau zu sein ins Jahr 1881. Er ist Zoologe und arbeitet in St.Petersburg in einem Zoo. Die Menschen legten damals noch ein bisschen mehr Wert auf Unterhaltung und Außergewöhnliches. Der einstige Star war Berta, das deutsche Nilpferd... doch irgendwann hatte sich Michail daran satt gesehen. Als ihm dann eines Tages der Schädel eines getöteten mongolischen Wildpferdes gebracht wird, ist er hin und weg von der Idee gerade diese, als ausgestorben geltenden Tiere im Zoo zur Schau zu stellen. Er plant eine Expedition in die Mongolei um weitere Exemplare zu finden und versucht das dafür dringend benötigte Geld zusammenzubekommen. Nach zahlreichen Briefwechseln gewinnt er den Abenteurer Wilhelm Wolff für sich und geht mit ihm auf diese beschwerliche Reise.

Ein Jahrhundert später treffen wir dann in der Mongolei auf die Tierärztin Karin und ihren Sohn Mathias. Gemeinsam versuchen sie eine Herde der beinahe ausgestorbenen Przewalski-Pferde in die freie Wildbahn zu entlassen. Karin lebt für diese seltene Tierart und möchte nun ihr Bestes versuchen um die aus Europa überführten Tiere nach und nach an die Wildnis zu gewöhnen. Doch am Ende ist dies deutlich schwieriger als erwartet und auch die Beziehung zu ihrem Sohn, wird damit ein weiteres Mal auf die Probe gestellt.

Und dann gibt's da natürlich noch den 'Kern' dieses Romans. Wir schreiben das Jahr 2064. Der Klimakollaps ist bereits eingetreten. Die Menschen sind seit Jahren auf der Flucht in den Norden. Trockenheit, Hitze, Regen im Überfluss, das Klima spielt verrückt, die Insekten sind großteils ausgestorben und auch die Tierwelt wurde stark ausgedünnt. Eva und ihre Tochter Isa leben gemeinsam mit ein paar bis dato noch verbliebenen Tieren auf einem kleinen Hof in Norwegen. Während alle anderen um sie herum bereits geflüchtet sind, versuchen sie so lange wie möglich hier die Stellung zu halten. Alles wirkt sehr angespannt, die Situation, die Stimmung zwischen ihnen, aber auch die Beziehung zu den restlichen Bewohnern der kleinen Ortschaft. Als dann eines Tages eine fremde, abgemagerte Frau Zuflucht sucht, stellt es sie vor eine neue Herausforderung. Und als dann auch noch kurze Zeit später die Stromversorgung komplett wegbricht, sind sie so ganz auf sich alleine stellt und auch ihr Kampf ums Überleben beginnt.

 

Wie man vielleicht nun schon herauslesen kann, ist das verbinde Element die Tierwelt oder besser gesagt die Wildpferde. Die einen versuchen sie zu fangen, die anderen sie auszuwildern oder sie so lange wie möglich zu erhalten. Und gerade das ist unter den jeweils vorherrschenden Umständen eine enorme Herausforderung, aber nicht nur das, denn nach dem Klimakollaps ist die ganze Welt ein nach und nach wegbröckelnder Gletscher, der kaum noch Hoffnung zulässt und für übergeordnete Bedrohungen sorgt.

Dieser Roman eröffnet so ein bisschen den Blick auf die mögliche Katastrophe der Zukunft, aber er ist auch zwischenmenschlich eine Erfahrung. Sie alle sind nicht allein, versuchen mit den Menschen um sich herum klar zu kommen und sich zu entwickeln. Gerade durch diese Erlebnisse finden sie mehr und mehr zueinander. Alle sind in irgend einer Art auf der Suche nach dem großen Glück und finden, wenn überhaupt, eher zurück zum Wesentlichen bzw. Wichtigeren im Leben. Die einen finden etwas mehr, andere verlieren oder nabeln sich ab. Und so prallen hier dann 'auf der zweiten Ebene' auch sehr unterschiedliche Geschichten aufeinander und das macht diesen Roman dann auch sehr faszinierend und bewegend. Ich rede nun bewusst etwas drum herum, denn gerade die jeweiligen Enden machen diesen Roman für mich aus.  Gefühlt war es irgendwie so eine unerwartete, thematische Wendung innerhalb dieses doch recht pferdelastigen Schauspiels. Und ich bin ganz gewiss kein Pferdefreund, habe mich zeitweise sogar nur auf die Geschichte Evas fokussiert, um dann im letzten Drittel wieder alle Protagonisten 'neu' zu entdecken und ihren Erlebnissen zu verfolgen. Und dann war ich tatsächlich auch von den Pferden sehr begeistert. Es ist so eine große, vielschichtige Herausforderung, die ihren Ursprung bereits vor Hunderten von Jahren gefunden hat. Manchmal sind es gerade diese schwächeren Arten, die ohne die Hilfe des Menschen, evolutionär vielleicht sogar schon ausgestorben wären oder sich eben einfach weiterentwickelt hätten. Die Pferde, so heißt es, überlebten, weil man sie eben fing und gezielt vermehrte, ein Auge drauf warf und sich die Population erholen konnte. Und gerade das sollten wir Menschen dann auch mehr als Aufgabe unseres Könnens und Handelns betrachten. Schwächeren helfen, egal ob Mensch oder Tier. Gerade dadurch würden wir dann auch wieder mehr an einem Strang ziehen und zusammenwachsen. Vielleicht ist das nun wieder sehr reininterpretiert, aber ich empfinde jede Geschichte so ein bisschen als Zeichen der Hilfsbereitschaft, des Zusammenhalts, aber eben auch als optimistischen Kampf für das Leben und als Zuversicht, eben dass es wieder bessere Zeiten geben wird. 

Dieser Roman endet mit einem Abschnitt über Mathias in der Mongolei 2019. Die Geschichte ist noch nicht vorbei und nun hoffe ich wirklich, dass sich dann in Lundes viertem Band alles noch einmal irgendwie zum Besseren wenden wird oder wartet da doch die große Katastrophe? Wir werden es erfahren.... irgendwann.