Rezension

Das pastellfarbene Lebensgefühl der 80er Kids

Allegro Pastell - Leif Randt

Allegro Pastell
von Leif Randt

Bewertet mit 3 Sternen

Tanja und Jerome, beide in den 80ern geboren, suchen nach einem einzigartigen Lebensgefühl. Dafür konsumieren sie Drogen, probieren irgendwie eine Beziehungsart aus und erleben viele Auf-und Abs, die wiederum aber eher low-light, eben pastellfarben bleiben.

Das Buch beginnt im Jahr 2018 und endet im Spätsommer 2019. In dieser Zeit lernen sich Tanja, Jahrgang 1988, und Jerome, Jahrgang 1982, kennen. Beide haben einen Medienjob, Tanja ist Autorin, Jerome ist Webdesigner. Sie begegnen sich bei der Arbeit, auf dem Weg zwischen Frankfurt und Berlin, ihren Wohnorten. Und landen sofort im Bett.

Es ist ein zeitgenössischer Roman, der die "Midlife Crisis" der 80er Kids beschreibt. Die beiden Protagonisten sind nie erwachsen geworden. Beide umgibt eine tiefe Melancholie, so haben sie sich ganz offensichtlich noch nicht selbst gefunden und wollen sich auf gar nichts festlegen. Stets für alles offen sein. Und doch unterliegen sie einem äußeren Perfektionismuswahn. In der Berufswelt muss alles perfekt laufen. Das ganze Leben wird sich wie eine Insta-Story vorgestellt, sieht das jetzt gut aus, was ich gerade mache, wo ich bin, was ich denke? Emotionen kommen bei beiden kaum auf. Schließlich wollen sie sich auf nichts festlegen. Sie führen eine lockere Fernbeziehung, nie behauptet jemand, dass er den anderen liebt. Ihren Kick holen sie sich beim exzessiven Drogenkonsum, doch wirkliche Gefühle und Nähe entstehen dabei nicht. 

Das geschriebene Wort, Messages, und natürlich die perfekt inszenierten Bilder, bestimmen ihre Kommunikation. Ja, okay, in den Nachrichten, werden sie manchmal leicht gefühlsbetont. Doch findet niemand von ihnen etwas, für das er wirklich brennt.

Jerome, der ja schon 36 Jahre alt ist, zieht eine Bilanz aus dem gesamten 2010er-Jahrzehnt und will sein äußeres Ich mit seinem inneren, dass er gar nicht zu kennen scheint, kompensieren. Work-Lifebalance ist für ihn wichtig. Im Stillen sehnt er sich doch nach etwas Bodenfesterem, Wurzeln, was er nicht zu finden scheint. Denn andererseits würde er die Arbeitszeit massiv reduzieren oder gleich ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle anzetteln. Von beiden Protas ist er der sympathischere.

Hingegen Tanja hat nur genervt. Sie macht sich massenhaft Gedanken darüber, dass ihr Schwester Sarah depressiv ist. Aber bitte was ist Tanja? Eigentlich geht ihr gar nichts nah, sie ist furchtbar eingebildet und möchte auf gar keinen Fall so sein, wie die anderen. Aber genau so ist sie, wenn nicht noch schlimmer. Sogar ihr Sexleben scheint getacktet und analysiert, ist dies eine Story wert? Nie kann sie sich entspannen und etwas genießen. Vor Bindung an irgendetwas, am Sein wie die anderen, hat sie Angst. Für nichts ist sie zu begeistern, alles ist zu normal. Nur beim Badminton kommt sie aus sich heraus und kann sich selbst spüren.

Am Ende ziehen sie eine Bilanz: In den 30ern hat man schon alles einmal erlebt, man kann nichts mehr unbefangen gut finden. Alles kehrt wieder und verliert dabei an Intensität. Sex hat jedes Geheimnis verloren, wieso sollte da eine Beziehung reizvoll sein? Ihre Idee ist es: "den Zustand distanziert lebensbejahrender Zugewandtheit zu konservieren", sprich: sich für nichts zu begeistern und einzugestehen, keine Haltung annehmen, keine Farbe bekennen.

Pastell bleiben. Denn dann kann man auch nichts verlieren. Aber eben auch nichts empfinden. Doch mit Mitte 30 klappt das dann manchmal doch nicht mehr.

 

Kommentare

katzenminze kommentierte am 24. Oktober 2020 um 19:43

In deinen Worten klingt es eigentlich gar nicht übel (sage ich als 80er Kid ;D ). Aber auch etwas langweilig...

lesesafari kommentierte am 24. Oktober 2020 um 22:04

Genau so, Minzi. Guter Schreibstil. Kennt man eben als 80er Kind von irgendwoher, nur hier sind sie halt noch extremer und noch verzweifelter. ;) Die Tanja hat mich sooo genervt!! Der Rest war eben so Alltag. Sich ein paar Gedanken machen, ein bisschen Social-Media, ein wenig Arbeiten... mit der Familie plaudern...