Rezension

Das Portrait

Sag den Wölfen, ich bin zu Hause - Carol Rifka Brunt

Sag den Wölfen, ich bin zu Hause
von Carol Rifka Brunt

Bewertet mit 4.5 Sternen

Was bliebt ist ein Portrait, dass Finn von seiner Patentochter June und ihrer Schwester Greta gemalt hat. Finn ist tot. Er hat eine große Lücke in die Familie gerissen, obwohl nicht alles über ihn gesagt werden durfte. Die Mutter der Kinder, deren Bruder er war, hatte strenge Regeln aufgestellt, wenn es um den Umgang innerhalb der Familie ging. June, ist gerade erst 14 geworden, sie ist schier untröstlich. Finn war nicht nur der beste Patenonkel, er war auch ihr bester Freund. Die zwei Jahre ältere Greta, die immer toll ist und alles schafft, kann seine Stelle nicht einnehmen. Da erhält June eine Nachricht, von dem, über den nicht gesprochen werden durfte.

 

Äußerlich scheint June eher unscheinbar, doch sie hat ein großes Herz. Natürlich ist auch sie nicht frei von Neid und Missgunst, auch Eifersucht kennt sie gut. Die alles überstrahlende Greta hat nur wenig Zugang zu ihrem Leben. Doch auch June will mal die sein, die zuerst kommt. Vielleicht ist ihre Beziehung zu Finn deshalb so besonders. Ihr besonderer Onkel ist eben ihr Patenonkel und nicht der beider Schwestern. Manchmal denkt June mit Wehmut an die Zeit zurück als sie und Greta noch die besten Schwestern und engsten Freundinnen waren, sie eine Einheit bildeten.

 

In der Zeit angesiedelt als AIDS den Erkrankten nicht viel Zeit zum Überleben ließ bietet dieser Entwicklungsroman nicht nur eine Erinnerung an die grausamen Auswirkungen der Krankheit, er reißt einen auch hinein in eine Familie, die trauert, weil sie vor der Zeit einen lieben Menschen verloren hat. Ein Mensch, der fehlbar schien wie jeder eigentlich, den man ungern gehen ließ und doch gehen lassen musste. Mit der Trauer geht jeder anders um. Doch irgendwie hat jeder einen sehr lieben Freund, Bruder oder Onkel verloren. Niemand kann Finn ersetzen, doch vielleicht kann jemand in der Trauer helfen, der selbst den größten Verlust erlitten hat. June erfährt vieles von Finn, das sie vor seinem Tod nicht erfahren hat. Finn-Geschichten, die ihr helfen mit der Leere klarzukommen. Und es bleibt das Portrait, das erstaunliche Veränderungen durchmacht, je nachdem aus welchem Blickwinkel man es betrachtet.

 

Ein berührendes Werk über Verlust und Trauer, aber auch Hoffnung, denn in jedem Ende wohnt auch ein Anfang inne.