Rezension

Das RAD des stets wiederkehrenden Klischees

Das alte Böse - Nicholas Searle

Das alte Böse
von Nicholas Searle

Bewertet mit 3.5 Sternen

Geht es euch auch manchmal so, dass da ein Roman ist, der eigentlich sehr, sehr nett ist und dann fällt er um? Und das nicht etwa, weil er schlecht geschrieben wäre, sondern weil er aufgreift, was schon tausendmal literarisch verarbeitet wurde und nicht nur, aber auch deshalb vor literarischer Einfallslosigkeit strotzt? Wie gerne hätte ich hier 5 Unterhaltungspunkte vergeben, aber es war mir unmöglich. Trotzdem: bis zur Mitte hatte ich viel Spaß.

Im Prinzip bekommt man mit diesem Roman, was man erwartet: im positiven Sinne. Ein Katz-und-Mausspiel zwischen zwei älteren Herrschaften, wobei von Anfang an der Verdacht vorhanden ist, wer gewinnen wird, was aber dem Lesevergnügen kein bischen schadet, weil man miterleben möchte, wie das Opfer den Spieß herumdreht.  Es ist höchst vergnüglich zu erleben, wie die beiden alten Zauseln, eins sympathisch und eins unsympathisch, um einander rumwuseln und sich belauern, immer den Anschein von Liebenswürdigkeit verbreitend, aber darunter lauern Emotione, um es italienisch auszudrücken.

Um die beiden Menschen zu verstehen, arbeitet der Autor mit Rückblenden, wobei er immer weiter zurück geht in der Zeit. Im Prinzip ist dagegen nichts einzuwenden.

Der Roman ist flott geschrieben mit einem ganz anständiges Niveau für einen Unterhaltungsroman und hat bis weit in die Mitte hinein unheimlich Spaß gemacht.

Aber dann …. kommen die Klischees dick aufgetragen und man sieht im Geiste amerikanische, alte Filme vor sich ablaufen! Das Buch ist ruiniert. Weil der Autor seine Geschichte erzählerisch zwar immer noch ganz gut hinschreibt, liest man weiter, aber es ist traurig, dass bei der Auflösung auf die alten Klischeevorstellungen der Feindschaft zwischen England und Nazideutschland zurückgriffen wird und keine eigenen Ideen geliefert werden. Dieser Drops jedoch ist gelutscht! Damit kann man keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken und der Leser runzelt die Stirn. Die endlose Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung eines Klischees. Warum nur? Nun, genau genau genommen ist auch Katz und Maus ein uraltes Spiel. Wäre aber trotdem wieder einmal schön gewesen!

So viel Vergangenheit braucht man keineswegs in jedem Roman. Es hätte dem Leser völlig genügt und ihn mehr erheitert, dem gegenwärtigen Schlagabtausch genüsslich zu lauschen. Doch dafür hätte man mehr Grips aufwenden müssen, denn Humor ist schwer. Humorige Bücher zu schreiben, nicht zotige, nicht platte, sondern heiter-ironische ist überhaupt das Schwerste! Und so landet die ursprünglich nette Idee geflochten auf den Kreislauf des wiederkehrenden Rads des Klischees vom Blablabla (das darf ich nämlich nicht sagen, wegen Spoilerns) im Nirwana des missglückten Buchs.

Fazit: Im Prinzip ein netter Kriminalroman im Stil Agatha Christies. Leider bedient der Autor im Laufe des Romans tausendfach literarisch verwurstete Klischees, was das Lesevergnügen entscheidend schmälert und zu entscheidendem Punkteabzug führt. DAS HÄTTE NICHT SEIN MÜSSEN.

Kategorie: Unterhaltung
Rowohlt, 2017
 

Kommentare

LySch kommentierte am 10. Oktober 2017 um 11:59

Wanda, was für eine herrliche Rezi! Ich mag deine ironisch-kritischen Rezis wirklich sehr! Schade, dass das vielversprechende Katz und Maus-Spiel dann doch noch abrutscht... und du hast wirklich Recht: kluger Humor ist mitunter das Schwerste am Schreiben.

katzenminze kommentierte am 12. Oktober 2017 um 22:14

Ah, schade, dass er so eingebrochen ist. Aber ich will ihn trotzdem mal versuchen. Agatha Christie und Schlagabtausch hören sich gut an. Ich hätte aber laut Klappentext eh nicht an humorig leichte, sondern an düstere Unterhaltung gedacht.

wandagreen kommentierte am 14. Oktober 2017 um 18:31

Eingebrochen ist auch nicht das richige Wort dafür, einfach, Sterotype verwendet, über die ich mich geärgert habe. Wenn einen das nicht großartig stört, ist das Buch ein Lesespaß.

Steve Kaminski kommentierte am 15. Oktober 2017 um 09:30

Ich hab mir doch immer gedacht, dass Du Buddhistin bist (Kreislauf des wiederkehrenden Rads des Klischees vom Blablabla im Nirwana des missglückten Buchs)!

wandagreen kommentierte am 15. Oktober 2017 um 12:13

Einer, der die Anspielung versteht! Ich hab mir so viel Mühe gegeben! ;-).

Steve Kaminski kommentierte am 15. Oktober 2017 um 13:02

Nicht umsonst! :-)