Rezension

Das Recht des Stärkeren

Der Ruf der Wildnis - Jack London

Der Ruf der Wildnis
von Jack London

Bewertet mit 5 Sternen

»Ruf der Wildnis« (OT: The Call of the Wild): Wer kennt ihn nicht – diesen Klassiker der Abenteuerromane, das Werk, das seinem Verfasser 1903 zum Durchbruch verhalf? Jack London selbst folgte 1897 gemeinsam mit seinem Schwager dem Ruf des Goldes und war so einer der ersten Goldsucher überhaupt, die es in den eisigen Norden zog. Nicht reich an Gold aber reich an Entbehrungen und Erfahrungen kehrte er später mittellos wieder nach Kalifornien zurück. Die Erlebnisse hatten ihm fast das Leben gekostet, ihn aber auch stark geprägt. Er hatte eine wichtige Lektion gelernt: Kameradschaft und Hilfsbereitschaft retten Leben in der Wildnis.

In seinem Roman begleiten wir den Mischlingshund Buck, der Ende des 19. Jahrhunderts ein friedliches und sehr angenehmes Leben im sonnigen Kalifornien führt. Doch der Gärtner seines Herrn hat Spielschulden und um seine Haut zu retten, stiehlt er Buck und verkauft ihn als Schlittenhund. Zähe udn ausdauernde Hunde sind derzeit gefragt, denn der Goldrausch in der Klondike-Region Alaskas hat begonnen. So wird Buck also dorthin verschleppt und brutal gefügig gemacht. Er geht durch eine harte Schule, bei der es kein Erbarmen gibt. Kämpf oder stirb, friss oder werde gefressen – das sind die einzigen Regeln von Bedeutung. Und Buck lernt schnell, denn er ist schlau und hat Fantasie – Eigenschaften, die ihm zusätzlich zu seiner Stärke wichtige Vorteile verschaffen.

»Er musste überwinden oder überwunden werden, und Mitleid zeigen, war nichts als Schwäche. (…) Töten oder getötet werden, fressen oder gefressen werden, hieß es hier, und diesem aus den Tiefen der Vergangenheit entsprungenen Gesetz gehorchte er.«

London versteht sich darauf, die Geschichte klar und präzise zu erzählen. Der Stil ist schnörkellos und einnehmend. Flüssig und kraftvoll wird der Leser durch das Werk getragen, die Emotionen kommen dabei aber nie zu kurz. Obwohl der Autor keine auschweifenden Beschreibungen der äußeren Umstände oder der inneren Gefühlswelt Bucks liefert, konnte er mich emotional mitreißen. Dieser Roman kennt keinen Kitsch, obwohl es durchaus wunderschöne und gefühlvolle Passagen gibt. Es ist gerade diese Reduktion auf das Wesentliche, das mich hier begeistert hat.

Bucks (Rück)Entwicklung, die voranschreitende Vorherrschaft seiner tief verwurzelten Urinstinkte, ist beeindruckend. Es war der Mensch, der den Wolf domestiziert hat und so den Hund zu seinem Vorteil gebrauchte und hier ist es wieder der Mensch, der den friedliebenden Hund Buck durch seine Brutalität dazu zwingt, sich auf seine wilde Natur zu berufen. Nachdem das Band zum Menschen endgültig abgerissen ist, folgt Buck schließlich diesem »Ruf der Wildnis« und kehrt zu seinen Ursprüngen zurück.

Seine Geschichte ist berrührend, spannend, schockierend und interessant – zu Recht ein Klassiker, den ich immer wieder gern zur Hand nehme.