Rezension

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„Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil“ – hier nur leider nicht

Die stummen Wächter von Lockwood Manor - Jane Healey

Die stummen Wächter von Lockwood Manor
von Jane Healey

Langatmig und leider hinter den Erwartungen zurückbleibend

Henrietta, genannt Hetty, wird aufgrund von in den Kriegsdienst eingezogenen Kollegen 1939 zur stellvertretenden Leiterin der Abteilung für Säugetiere des Londoner Natural History Museums ernannt. Um die Ausstellungsstücke vor einer möglichen Zerstörung im Zuge des Krieges zu schützen, übernimmt sie deren Evakuierung nach Lockwood Manor, einem herrschaftlichen Anwesen, dessen Besitzer sich im Zuge der Kriegsanstrengungen zu einer Aufnahme der Abteilung bereit erklärt hat. 

Auf Lockwood Manor angekommen wird sie vom Hausherrn, dem Major bzw. Lord Lockwood, seiner Tochter Lucy und deren Bediensteten auf unterschiedlichste Art empfangen. Dabei ist Lucy die einzige, die Hetty wirklich herzlich begegnet und froh um das mit ihr und den Exponaten assoziierte Leben in dem Anwesen zu sein scheint. Lucy und der Lord haben erst vor kurzer Zeit die Mutter/Ehefrau und Großmutter/Mutter bei einem Autounfall verloren, dessen genauen Umstände ungeklärt sind. Vor dem Unfall hatte Lucy tatkräftig Zukunftspläne abseits des Anwesens geschmiedet, die mit dem Unfall jäh gekappt wurden. Der Lord selbst scheint nicht wirklich um seine Frau zu trauern oder er hat mit dem Unterhalten diverser Geliebter eine interessante Kompensation gefunden.

Alle Exponate Hetty´s bekommen derweil den für sie vorgesehenen Platz im Hause und Hetty erfährt durch Lucy sogar Unterstützung in ihrer Arbeit im Museum auf Zeit. Zwischen den beiden Frauen entspinnt sich ein langsam stärker werdendes freundschaftliches Band, beginnend mit einer Führung durch Hetty durch die Sammlung. Ein beschwipster Pfefferminz-Likör-Abend tut dann sein Übriges. Die beiden jungen Frauen eint ihre Sehnsucht nach einer Vertrauten, ihr jeweils eher gestörtes Verhältnis zu ihrer Mutter, ihre Alpträume. Letztere begleiten Lucy neben nervösen Zuständen seit Jahren. Zudem hatte sie unter den Wahnvorstellungen ihrer Mutter und deren Konsequenzen zu leiden. Auch Hetty´s Schlaf auf dem Anwesen ist nicht wirklich erholsam und geprägt von intensiven, sie zunehmend verängstigenden Alpträumen. Zudem macht ihr Lord Lockwood ihren Aufenthalt und ihre Arbeit durch seine Art und seine Handlungen schwer. Hinzu kommen verschwindende oder beschädigte Exponate und Habseligkeiten und Spuren und verstörende Objekte in Hetty´s Zimmer, die nicht von ihr stammen. Auch die Tatsache, dass es auf Lockwood spuken soll, das Thematisieren einer hier ihr Unwesen treibenden „Weißen Frau“ und eines ominösen „Blauen Zimmers“ sollen den Gruselfaktor steigern. 

Mit einem heftigen Nervenzusammenbruch Lucy´s liegt die Freundschaft der beiden Frauen jedoch erst einmal auf Eis. Eine Annäherung erfolgt nach einem weiteren unerklärlichen Schaden an einem der Exponate, der Hetty und Lucy zum Schutze der Tiere in deren unmittelbarer Nähe übernachten lässt. Und langsam (für mich zu langsam) wird aus den beiden mehr. 

Die Handlung des Buches wird aus dem jeweiligen Blickwinkel der beiden Frauen - durch unterschiedliche Schriftart voneinander abgehoben – beschrieben. Das Buch ist dabei von Hingabe bestimmt. Hingabe in der Skizzierung der mitunter starken Verschrobenheit seiner Charaktere, die mir mit all ihren Eigenarten ans Herz wachsen. So hat Hetty z.B. die Berufskrankheit, die sie umgebenden Menschen mit Tieren zu vergleichen, was mir als Leserin das ein oder andere Schmunzeln entlockt. Hingabe zeigt sich im Buch aber auch in der bildhaften Sprache. Seine Qualitäten liegen darüber hinaus in der liebevollen Beschreibung der Beziehung zwischen Hetty und Lucy, dem Einblick in die Museumsarbeit und die Taxidermie sowie in die Langwierigkeit von Konservierungsarbeiten. Nicht zu vergessen sei die schöne Aufmachung seines Äußeren.

Diesen positiven Eigenschaften des Buches stehen jedoch wahre Berge von Schachtelsätzen gegenüber, durch die ich als Leserin wie durch die Gänge von Lockwood Manor irre und mitunter auch stolpere. Auch der recht unförmige Spannungsbogen macht es mir schwer, motiviert am Ball zu bleiben. Gruseln tue ich mich zudem auch nicht wirklich. Gen Ende nimmt der Handlungsverlauf noch einmal richtig an Fahrt auf, was er für mich aber auch gerne schon 100 Seiten zuvor hätte tun können. Der Ausgang des Buches ist für mich dann jedoch wohltuend unerwartet und entschädigt ein wenig. 

Hetty ist eng mit ihren Exponaten und damit Schützlingen, die auf Lockwood Manor mit Handlungsverlauf nicht mehr sicher sind, verbunden. So wie Lucy eng mit dem Anwesen und ihrem einzigen Angehörigen, ihrem Vater, verflochten ist. Ob die Beziehung der beiden vor diesem Hintergrund und in dieser schwierigen gesellschaftlichen Zeit bestand hat, das müsstet ihr schon alleine herausfinden. Die stummen Wächter von Lockwood Manor werden euch dabei sicher nicht aus den Augen lassen.

Kommentare

Brocéliande kommentierte am 06. April 2020 um 13:05

Deiner Rezi-Überschrift kann ich mich leider nur anschließen.... LG Bro.