Rezension

Das Seehospital - emotional und spannend zugleich

Das Seehospital - Helga Glaesener

Das Seehospital
von Helga Glaesener

Bewertet mit 4 Sternen

Inhaltsangabe:

Amrum 1920: Frieda Kirschbaum hat ihre alte Heimat Amrum verlassen, um in Hamburg Medizin zu studieren. Allerdings ist ihr Großvater wenig davon begeistert und kurzerhand dreht er seiner Enkelin den Geldhahn zu, obwohl er eine gute Ärztin für sein Seehospital gut gebrauchen könnte. Als Friedas Großvater stirbt, kehrt sie für die Beerdigung auf die Insel zurück. Kurz darauf erfährt sie, dass es um das Seehospital schlecht bestellt ist und die Kinder wieder zurück nach Hamburg müssen. Auch Friedas Eltern wollen oder können dem Hospital nicht helfen, denn sie wollen aus diesem lieber ein luxuriöses Kurhotel machen. Wird es Frieda schaffen, dass Seehospital zu retten?

Das Seehospital ist das neuste Werk von der Autorin Helga Glaesener, die bereits div. historische Romane schrieb. Ich muss allerdings zugeben, dass ich noch nie eines ihrer Bücher gelesen habe und somit war dies ein Debüt. Dank eines Bücherforums und des vielversprechenden Klapptextes bin ich neugierig geworden und so musste ich diesen Roman einfach lesen. Mir wurde eine spannende Geschichte mit einem Familiengeheimnis versprochen und diese bekam ich auch – auch wenn meine Erwartung eine andere war.

Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und angenehm und so konnte ich ab der ersten Seite in die Geschichte um die Familie Kirschbaum ein und abtauchen. Während des Lesens merkte ich, mit wieviel Liebe zum Detail, die Autorin die Amrumer und Hamburger Kulisse ein- und wiedergespiegelt hat. Wenn man ganz Fantasie besitzt, spürt man den ruppigen Küstenwind in den Haaren, den leichten Salzgeruch in der Nase und hört die Möwen kreischen. Es ist fast so als ob man einen Strandspaziergang machen würde. Hinzu kommt noch die perfekte Idylle des Hamburger Lebens um 1920. Der erste Weltkrieg ist vorbei und die Menschen sehnen sich nach Frieden und nach einem geregelten Leben, aber das ist leichter gesagt als getan. Überall herrscht Armut und Hunger, aber nicht nur dies ist es was den Menschen das Leben in dieser Zeit schwer macht. Krankheit und fehlende Medikamente lässt den einen oder anderen verzweifeln. Und genau diese Stimmung wurde von der Autorin so brillant beschrieben und lässt den Leser hautnah daran teilhaben. Beeindruckend und emotional!

Die Charaktere wurden sehr gut ausgearbeitet und facettenreich dargestellt. Hier spielt es keine Rolle ob es sich um die Hauptpersonen oder Nebenrollen handelte, denn jede Figur fand seinen Platz und bereicherte die Geschichte auf seine eigene Art und Weise. Frieda war für mich schon eine sehr starke Frau. In dieser Zeit sich für ein Medizinstudium zu entscheiden und das auch noch durchzuziehen. Hut ab. Ich fand ihre Entscheidungen und Gedankengängen sehr gut durchdacht und konnte mich auch gut in sie hineinversetzen. Bei ihren zwei Schwestern fiel mir das ein wenig schwerer. Gerade bei Lou habe ich das eine oder andere Mal den Kopf geschüttelt. Zu Friedas Bruder Christian habe ich eine klare Meinung, denn ihn mochte ich überhaupt nicht. Dies lag vor allen Dingen an seinen gewalttätigen und rücksichtslosen Handlungen. Aber jedes Buch braucht mindestens einen ungeliebten Charakter, ohne ihn würde es sehr langweilig werden. Welche Nebenrolle mich auch noch stark beeindruckt hat, war Friedas Bekannte Jenny. Wo sie nur konnte half sie denjenigen, denen das Leben etwas übler mitspielte als bei anderen und hatte zudem ein offenes Ohr für all die Sorgen und Probleme. Auch in der heutigen Zeit bereichern solche Menschen unser Leben.

Die Handlung lebt von den zahlreichen Perspektivenwechseln und das ermöglichst dem Leser, nicht nur die einzelnen Personen besser kennenzulernen, sondern auch einen noch besseren Einblick in ihre Gedankengänge und Handlungsweisen zuhalten. Genau das liebe ich.

Was mich ein wenig enttäuscht hat, war, dass das Seehospital zwar am Anfang eine große Rolle einnahm, aber im weiteren Verlauf wurde es kaum oder gar nicht mehr erwähnt. Schade, denn gerade bei dem Titel des Buches“ Das Seehospital“ dachte ich gleich an eine Geschichte um dieses Klinikgebäude und seinem Personal. Ich muss gestehen, dass mein Lesegenuss dadurch nur minimal geschmälert wurde. Was mir hingegen sehr gut gefiel, dass der Spannungsbogen in der zweiten Hälfte des Buches enorm zulegte und ich ab diesem Zeitpunkt diesen Roman nicht mehr aus den Händen legen wollte bzw. konnte. Ich musste wissen, wie es mit Frieda und Lou weitergehen wird. Beim Ende bin ich mir noch nicht ganz schlüssig. Irgendwie entstand der Eindruck, dass man zu Ende kommen musste. Dies war auch nur ein kleiner Minuspunkt, denn im Großen und Ganzen wirkte er stimmig.

 

Auch wenn der Titel des Buches ein wenig irritierend ist, fand ich diesen Roman sehr spannend und emotional. Für mich war es eine historische Geschichte, die über eine Familie mit einem Familiengeheimnis berichtet, die mir sehr schöne Lesestunden bescherte.