Rezension

Das Setting ist höchstens Mittel zum Zweck

Verborgen - Anna Simons

Verborgen
von Anna Simons

Bewertet mit 3 Sternen

„Verborgen“ bietet eigentlich ein durchaus interessantes Setting. Ein Gefängnis, eine Ärztin und ein undurchsichtiger Fall. Das hat der schurken.blog schon erkannt und eigentlich stimme ich dem sogar zu. Nun kommt hinzu, dass das Buch unter dem Pseudonym Anna Simons veröffentlicht wurde, hinter der sich laut der Biografie eine Autorin verbirgt, die schon viele verschiedene Genres bedient und schon einige Auszeichnungen erhalten hat. Die Frage, die sich mir während des Lesens gestellt hat, war: Trägt sich das Setting für eine ganze Serie, dessen zweiter Teil im Herbst 2019 erscheinen soll? Das wird im Verlauf dieser Rezension hinreichend beantwortet.

Dr. Eva Korell ist Ärztin, welche und ob sie eine Fachrichtung hat, weiß man nicht, sie dürfte aber Allgemeinmedizinerin sein, was für ein Gefängnis wohl ohnehin das idealste ist. Korell ist buchstäblich von Berlin nach München geflohen – vor der Arbeit im hiesigen Spital, vor ihrem Ex. Eva Korell hat Empathie und einen Gerechtigkeitssinn, so viel davon, dass man kotzen möchte. Denn ich habe schon zig (wirklich zig, fünfzig, sechzig, siebzig oder mehr) Ärzte kennengelernt, aber Empathie habe ich da selten entdeckt. Aber vielleicht gehört Korell zur Ausnahme, die die Regel bestätigt. Nun fällt ihr noch vor Arbeitsbeginn mit Nicole Arendt eine Frau in die Arme, bei der schon aus drei Kilometer Entfernung erkennbar ist, dass sie nicht das beste Leben hat – ein gefundenes Fressen für Korell.

Denn früher oder später erfährt Korell, dass Arendts Mann Robert in genau dem Gefängnis sitzt, in dem sie nun arbeitet. Zufall? Jep. Zu allem Überfluss fährt immer wieder ein mysteriöser blauer Mercedes in Korells Umfeld herum, der ihr deshalb auffällt, weil ihre Eltern genau so einen hatten und mit dem sie – und dafür muss man wahrlich kein Meisterdetektiv sein, obwohl man es erst spät erfährt – einen Unfall hatten. Zufall? Jep. Nun fängt Korell also einen neuen Job in einer neuen Stadt an und hat prompt auch noch einen unbezahlten Zweitjob als Detektivin, denn sie muss ja herausfinden, warum Arendt so durch den Wind ist und was das mit ihrem Mann zu tun hat. Und da frage ich mich schon: Entweder hat die Gute den falschen Job oder die Autorin das falsche Setting gewählt, denn ihre Tätigkeit als Ärztin spielt maximal eine untergeordnete Rolle. Vor allem wenn man eine neue Arbeitsstelle antritt, lässt man sich nicht gleich komplett von einem Fall ablenken, sondern würde sich erst einmal einarbeiten, sich den ungewöhnlichen Arbeitsalltag ansehen und sich daran gewöhnen, aber genau das fehlt dem Buch oder wird zumindest nicht hinreichend erzählt. Ich hätte mir vor allem mehr vom Gefängnisalltag erwartet, mehr Intrigen, mehr Unruhen. Solche Sachen. Aber der Großteil der Geschichte spielt nicht mal im Gefängnis.

Es ist aber nicht alles schlecht an dem Buch. Die Stimmung im Erzählstrang von Arendt, der sich mit dem von Korell abwechselt, ist zum Beispiel gut aufgefangen und wiedergegeben. Arendt findet diesen herrenlosen Schmuck in ihrer Wohnung und weiß nicht, was sie davon halten soll. Ist er ein Geschenk von ihrem Mann an sie oder gehört er Nadja, dem letzten Opfer des Serienvergewaltigers, der die Stadt seit einiger Zeit beunruhigt. Ist ihr Mann gar der Serienvergewaltiger? Arendt ist bei der Frage hin- und hergerissen und zerbricht fast daran. Das hat die Autorin sehr gut umgesetzt.

Man kommt auch flott durchs Buch. Es ist zwar nicht allzu spannend, aber die Handlung packt einen irgendwann doch ziemlich. Auch dass die Sicht des Antagonisten wiedergegeben wird, ist nicht uninteressant und generell, dass sich die Handlung - zumindest im Ansatz - nach wahren Begebenheiten richtet, verleiht dem Ganzen einen authentischen Anstrich – dennoch wirkt die Handlung wenig realistisch und fast minderwertig. So als wollte die Autorin alle Elemente, die ein guter Thriller ausmacht, hernehmen, zusammenstöpseln und dann schauen, wie es ankommt. In meinem Fall nicht allzu gut, sorry.

Tl;dr: „Verborgen“ von Anna Simons ist ein Thriller mit einem interessanten Setting – das aber eine untergeordnete Rolle spielt und maximal Mittel zum Zweck ist, denn der Großteil der Geschichte spielt nicht im Gefängnis, sondern außerhalb dessen. Dazu kommt, dass es der Geschichte an Realitätsnähe fehlt und insgesamt minderwertig wirkt. Ob sich das Setting für eine ganze Serie trägt wage ich deshalb stark zu bezweifeln.