Rezension

Das soll ich lesen?

Nachricht von dir - Guillaume Musso

Nachricht von dir
von Guillaume Musso

Bewertet mit 4 Sternen

Kein Liebesroman, sondern ein Thriller. Sehr gut lesbar, aber mit unglaublichen Zufällen.

„Lies doch mal dieses Buch hier.“
 
Meine Frau reicht mir Guillaume Musso’s Roman „Nachricht von dir“. Ich schaue mir mehr als skeptisch das Cover an. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“ antworte ich ihr spontan. „Doch, das habe ich von deiner Schwester geliehen. Das könnte dir auch gefallen.“ Ich drehe das Buch auf den Rücken und lese, was dort steht. „Zwei vertauschte Handys – zwei verbundene Schicksale“. Ich werde immer skeptischer. „Ein Liebesroman?“ Meine Frau bleibt hartnäckig. „Das ist kein richtiger Liebesroman, eher ein Thriller. Lies es doch einfach mal.“

Immer noch mehr als skeptisch willige ich ein und stellte das Buch erstmal ins Buchregal für ungelesene Bücher. Vor einer Woche holte ich es wieder hervor und beschloss, das Buch als erneutes  Experiment anzusehen und mich mal wieder aus meiner Lesewelt in die Welt der vermeintlichen Frauenbücher zu begeben. Meine letzten Ausflüge mit Diana Gabaldon und Stephenie Meyer habe ich schließlich auch nicht bereut.

Am Anfang begann der Roman genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Zwei Fremde treffen sich zufällig am Flughafen, vertauschen dabei ihre Handys und giften sich zunächst an, als sie danach das erste Mal miteinander kommunizieren. Frei nach dem Motto, was sich neckt, das liebt sich, werden die zwei sich schon bekommen, dachte ich und sah meine Befürchtungen mehr als berechtigt, dass dies keiner der besseren Ausflüge außerhalb meiner Lesewelt werden wird.

Doch merkte ich auch – ganz weit hinten in meinem Kopf - , dass sich das Buch so gut lesen ließ, dass man eigentlich immer wissen wollte, wie es denn weitergehe, man kaum aufhören konnte, zu lesen. 

Und als die beiden Hauptcharaktere Madeline und Jonathan dann gegenseitig die Geheimnisse des anderen auf den Handys entdeckten, merkte auch ich schnell, dass ich hier nicht dabei war, einen Liebesroman zu lesen.

Gut, die Liebe spielte natürlich auch eine Rolle, wurde aber eigentlich immer zweitrangiger. Während das Geheimnis um Jonathan nicht ganz so interessant daher kam, entwickelte sich das von Madeleine sehr schnell zu einem interessanten – ja tatsächlich – Thriller, in dem auch Jonathan hineingezogen wird, da er mit einer Person aus Madelines Vergangenheit bereits Kontakt hatte.

Musso versteht es, die Geheimnisse, vor allem Madeleines, so häppchenweise zu enthüllen, dass der Leser miträtselt, wie es wohl dazu nun gekommen sein mochte. So wird man Häppchen für Häppchen in die Handlung mit hereingezogen und kann sich ihr tatsächlich kaum noch entziehen. Obwohl ich im Laufe des Tages nicht wirklich viel Zeit zum Lesen habe, konnte ich das Buch in kürzester Zeit beenden.

Dennoch möchte ich auch nüchtern betrachtet die Kritik am Werk nicht unbeachtet lassen, weswegen ich dem Roman auch nicht die Höchstwertung geben kann.

Zunächst einmal scheint der Verlag auch besonders an sehr kurzsichtige Menschen gedacht zu haben, ist die Schrift doch riesig im Vergleich zu anderen Büchern, so dass man fast unwillkürlich durch die Seiten rauscht. Vermutlich hat man aber eher gedacht, mit großer Schrift kann ich das Buch auf 453 Seiten strecken, wofür man dann auch eben mal unverschämte 14,99 Euro verlangen kann. Das ist eigentlich eine Frechheit, dafür kann der Autor aber nichts.
Kritik an der Geschichte muss ich aber auch üben, denn die Geschichte wäre ganz schnell zu Ende, würde in deren Verlauf nicht immer wieder riesige Zufälle passieren (da hätte der Verlag dann auch nichts strecken können).

Dass zwei fremde Menschen sich am Flughafen treffen und die Handys vertauschen, mag ja noch angehen. Autor Musso gibt im Anhang sogar an, dass ihm das 2007 widerfahren ist, weswegen er zu dieser Story angeregt wurde. Dass sich im Verlauf dergleichen dann aber herausstellt, dass das Mädchen, dass die eine Person fast obsessiv gesucht und nicht gefunden hat, der anderen Person mal das Leben gerettet hat, ist dann aber schon sehr, sehr weit hergeholt.

Im nächsten Abschnitt möchte ich auf Spoiler aufmerksam machen.

Sieht man über den großen Zufall mal hinweg, begegnen dem Leser aber auch immer wieder kleine Zufälle, die die Story am Laufen halten. So erscheint es einem, fast zu zufällig leicht, das Passwort eines seit Jahren verschwundenen Mädchens zu erraten, und damit mal eben ihr Handy zu orten. Und zufällig wankt Madeline in den gleichen Laden, um sich Verbandsmaterial zu kaufen, in dem vor ihr an der Kasse der Entführer zufällig den seit Jahren gleichen Lieblingssnack von Alice kauft. Ach bitteschön! Und natürlich ist im entscheidenden Moment Madelines Waffe leer, aber gerade dann taucht Jonathan auf, der nicht nur einen Irrlauf durch die völlig verschneite Stadt hinter sich hat, sondern auch noch nie in seinem Leben eine Waffe abgefeuert hat und trifft durch die Windschutzscheibe eines anfahrenden Autos den Fahrer. Oweia!

Ende der Spoiler.

Trotz der fast schon schmerzenden Zufälle in der Story ist das Buch weiter zu empfehlen – auch an die männliche Zunft. 

Gut, dass meine Frau so hartnäckig war…