Rezension

Das Sommergefühl, das gerade so sehr gebraucht wird...

Hard Land -

Hard Land
von Benedict Wells

Bewertet mit 4.5 Sternen

"[...] Euphancholie. Einerseits zerreißt's dich vor Glück, gleichzeitig bist du schwermütig, weil du weißt, dass du was verlierst oder dieser Augenblick mal vorbei sein wird." (S. 99)

Coming-of-Age Geschichten gibt es viele. Coming-of-Age Geschichten, die in den 80ern angesiedelt sind ebenfalls so einige. Coming-of-Age Geschichten in den 80ern, die in einer amerikanischen Kleinstadt während der Sommerferien spielen, das klingt schon fast wie eine Aneinanderreihung von Klischees. Dass der Autor zu Beginn mit popkulturellen Anspielungen um sich schmeißt, hilft nicht unbedingt, um diesen Eindruck zu revidieren. Und doch habe ich "Hard Land" wahnsinnig gern gelesen.

Vielleicht ist es Wells Fähigkeit, alle Zutaten von guten Vertretern dieses Genres zusammenzumixen und daraus etwas neues, sehnsuchtsvolles zu erschaffen. Vielleicht schafft er es auch einfach, die richtigen Nostalgieknöpfe zu drücken. Möglicherweise ist es aber auch sein Talent, das Innenleben von Figuern wahnsinnig gut einzufangen und sie ins Herz schließen zu lassen, auch wenn man nicht alle von ihnen unkritisch betrachtet. Was aber definitiv meinen Eindruck geprägt hat, war, dass der Frühling sich blicken ließ und die aktuelle uns alle betreffende Situation mich sehnsuchtsvoll den Sommer erwarten ließ. Neues erleben, entdecken, einfach unbeschwert draußen sein. Ich hätte mir kaum ein besseres Buch vorstellen können, dem Lockdown Blues entgegenzuwirken, denn jedes Mal, als ich das Buch aufschlug, war sie wieder da, die alles umfassende Atmosphäre eines voll ausgekosteten Sommers. Ein Buch zur genau richtigen Zeit. Zuvor hatte ich noch keinen Wells zu Ende gelesen, denn so wie er schreibt, war es mir in seinen bisherigen Büchern immer zu viel oder zu wenig. Und das oft gleichzeitig. Deswegen denke ich, dass er mich dieses Mal einfach mit allen oben genannten Faktoren gekriegt hat, alle Zutaten gestimmt haben. Und er sich sehr gut in die Perspektive eines Jugendlichen einfühlen kann, der sich das erste Mal lebendig fühlt und das in einer Zeit, in der sein Leben auseinanderzubröseln droht. Denn der Konflikt an der Geschichte ist die unheilbare Krankheit, an der die Mutter unseres Protagonisten leidet und aus welchem er erwachsen muss, was die Geschichte zweifach zu Coming-of-Age macht. Euphancholie, die Wortneuschöpfung, die der Autor seine Figuren hat erleben lassen, trifft für mich alles hier auf den Punkt. Der erste große Sommer, der so entscheidend ist für die Entwicklung,der gleichzeitig so aufregend schön und bittersüß ist. Ich denke viele werden solche Jugenderinnerungen haben und sich damit in irgendeiner Art und Weise identifizieren können. Somit kann ich auch nur jedem empfehlen, sich in die Geschichte fallen zu lassen und in die gern genutzte amerikanische Kleinstadt der 80er Jahre abzutauchen und diesen Sommer in irgendeiner Art und Weise wieder zu erleben.