Rezension

Das Spiel mit der Wahrheit...

Die kalten Sekunden - Remigiusz Mróz

Die kalten Sekunden
von Remigiusz Mróz

Bewertet mit 2.5 Sternen

Damian und Ewa haben alles. Unzertrennlich seit Kindertagen, planen sie ihre gemeinsame Zukunft. Als Damian ihr einen Heiratsantrag macht, antwortet Ewa mit Ja. Doch kurz darauf kommt es zu einem schrecklichen Überfall – und Ewa verschwindet spurlos. Zehn Jahre später stößt Damian unerwartet auf ein Bild von Ewa im Netz. Wer ist der Unbekannte, der mit immer neuen Posts nach ihr sucht? Damian beauftragt eine Privatdetektei, um die Spur aufzunehmen. Als kurz darauf sein bester Freund tot aufgefunden wird und er selbst in den Kreis der Verdächtigen gerät, muss Damian sich die eine Frage stellen: Kannte er seine große Liebe wirklich?

Sehr gespannt war ich auf den Thriller des in Polen sehr bekannten Autors Remigiusz Mróz. Der Klappentext jedenfalls hat mich sehr neugierig gemacht, die Hörprobe ebenfalls.

Tatsächlich wird der Hörer gleich in medias res geworfen und erlebt mit, wie Ewa genau an dem Abend, als Damian ihr einen Heiratsantrag macht, erst brutal vergewaltigt wird und dann spurlos verschwindet. Dann springt die Handlung in die Gegenwart, zehn Jahre nach dem Überfall - und bis heute wartet Damian vergeblich auf ein Lebenszeichen von Ewa. In den zehn Jahren dazwischen hat sich Damian kein wirkliches Leben aufgebaut, das Studium hat er abgebrochen, Gelegenheitsjobs halten ihn über Wasser, eine neue Liebe ist er nicht eingegangen, er weiß aber nicht mehr, wo er Ewa noch suchen soll. Nur einer Sache ist er sich sicher: Ewa lebt noch. Irgendwo. Und er wartet...

Damians bester Freund stößt eines Tages im Internet auf ein Bild, auf dem er meint, Ewa erkannt zu haben. Damian ist ebenso überzeugt davon, doch da die Polizei ihnen keinen Glauben schenkt, beauftragt Damians Freund schließlich eine Privatdetektei mit Nachforschungen. Kassandra Reimann, die Ehefrau des Besitzers der Detektei, trittt mit Damian in Kontakt und hält ihn über die Ermittlungen auf dem Laufenden. Doch als Damians Freund ermordet wird und er selbst unter Mordverdacht gerät, spitzt sich die Lage zu...

Erzählt wird dieser Thriller abschnittsweise wechselnd aus der Perspektive von Damian und der von Kassandra Reimann, jeweils in der Ich-Perspektive. Dabei tappt der Hörer gemeinsam mit Damian über lange Zeit gehörig im Dunkeln und wird immer wieder auf eine falsche Fährte gefühlt - und Kassandra gibt nur genau so viel preis, wie sie es für richtig hält, und das kann gehörig in die Irre führen. Gesprochen werden die beiden Charaktere dem langsamen Erzähltempo angemessen von Matthias Koeberlin und Vera Teltz.

Auf der Spur des Bildes von Ewa erkennt Damian zunehmend, dass er diese Frau wohl nicht wirklich gut gekannt hat. Einige Aspekte ihres Lebens hat sie komplett vor ihm geheimgehalten - bitter, aber Damian ist entschlossen, auf Ewas Spur zu bleiben. Und Kassandra hütet selbst einige Geheimnisse - eines davon ist ihr überaus gewalttätiger Ehemann, was sie allabendlich zu spüren bekommt.

Gerade dieses Thema hat mir wirklich zu schaffen gemacht. Remigiusz Mróz schildert viele Szenen der häuslichen Gewalt derart bildhaft und detailliert, das ich etliche Male die CD anhalten musste und erst zu einem späteren Zeitpunkt weiterhören konnte. Obschon thrillererfahren und durchaus nicht zimperlich, was brutale Szenen anbelangt, ging mir das Hörerlebnis hier doch stellenweise zu weit und zu intensiv.

Kassandra jedenfalls kocht hier durchaus ihr eigenes Süppchen und sorgt dadurch für die ein oder andere Überraschung. Damian gerät in der Geschichte in mehrfacher Hinsicht zum Bauernopfer und steht leztlich als liebenswerter Trottel dar, der einigen Leuten als tumbe Schachfigur gelegen kommt. Dabei kann er einem schon leid tun, doch ist er als Charakter trotz der Ich-Perspektive so distanziert gezeichnet, dass ich ihm gegenüber recht gleichgültig blieb.

Auch Kassandra, obschon ständiges Opfer ihres Mannes, war mir nicht wirklich sympathisch. Mir fehlt ehrlich gesagt auch jedes Verständnis für solch eine kranke Beziehung, in der letztlich niemand die eigentlich logischen Konsequenzen zieht und die Trennung sucht.

Zwar sorgte der Autor gerade gegen Ende immer wieder für einige überraschende Wendungen, doch letztendlich überwog bei mir die Erleichterung, als die Geschichte (523 Minuten) endlich ein Ende fand.

Ein Thriller voller brutaler Szenen mit unsympathischen Charakteren und einigen Längen. Leider nicht das erhoffte Hörerlebnis...
 

© Parden