Rezension

Das Spiel um die Macht

ELFENKÖNIG - Holly Black

ELFENKÖNIG
von Holly Black

Wie erhofft, stehen politischen Intrigen mehr im Vordergrund der Handlung. Diese hat aber genauso viele Längen wie überraschende Wendungen.

„Es ist viel einfacher, die Macht zu ergreifen, als sie festzuhalten.“ - HOLLY BLACK

Jude ist das Unmögliche gelungen – sie hat Prinz Cardan nicht nur für ein Jahr und einen Tag an sich gebunden, sondern ihm auch noch gegen seinen Willen die Krone aufgesetzt. Damit ist es erstmals ein Mensch, der im Elfenreich hinter der Krone die Strippen zieht, doch bis ihr Stiefbruder Oak seine Position als rechtmäßiger Herrscher antreten kann, braucht Jude vor allem eines, mehr Zeit als sie durch ihren Pakt mit Cardan gewonnen hat. Schon bald muss sie sich allerdings nicht nur um Cardans geheime Ziele sorgen, weitere Figuren machen ihre ersten Züge im Spiel um die Macht und Jude muss sich mehr als einmal fragen, ob sie diesem noch gewachsen ist.  

 

Nach dem spannenden Ende des ersten Bandes, an dem mich eigentlich nur die Intrigen am Elfenhof fesseln konnten, habe ich mir vom Zweiten erhofft, dass die Machtspiele noch stärker in den Vordergrund treten. In dieser Hinsicht wurden meine Erwartungen erfüllt, allerdings sind sie überwiegend genauso kurzgedacht wie die Basis von Judes Putsch in Band 1. Die Handlung weist neben überraschenden Wendungen leider genauso viele Längen auf. Richtig spannend wird es wieder einmal erst zum Schluss. Mir hat gefallen, dass man von der Elfenwelt mehr zu Gesicht bekommt – es geht sogar unter das Meer – man merkt allerdings, dass das Worldbuilding nicht im Vordergrund steht.

Im ersten Teil fand ich Judes intrigante und skrupellose Art besonders interessant, weil sie mal etwas anderes ist, in diesem hat mich ihr Verhalten allerdings häufig einfach nur genervt. Ihre Entscheidungen sind zwar strategischer und reflektierter, aber nicht immer sinnvoll, geschwiege denn nachvollziehbar. Sie erfreut sich ihrer Macht, hat aber eigentlich nichts unter Kontrolle. Die Selbstzweifel, die sie vor allem im Bezug auf Cardan quälen, waren mir zu pubertär, was im scharfen Kontrast zu ihrer verantwortungsvollen Führungsrolle steht und ihre politischen Probleme lächerlich macht. Von Cardan bekommt man leider entgegen meiner Erwartungen nur wenig mit. Jude grübelt wieder einmal wesentlich mehr über ihn nach, als dass es wirklich zu Interaktionen zwischen den beiden kommt. Einen Einblick in seine Vergangenheit bekommt sie nur aus zweiter Hand. Ihre Gefühle ihm gegenüber konnten mich daher immer noch nicht abholen. Ich finde es unlogisch, dass es ihr mangels Vertrauen nicht gelingt, eine sinnvolle Grundlage für eine Zusammenarbeit über das Jahr hinaus zu schaffen, aber dann gegen Ende die überstürzte Übereinkunft mit ihm trifft. Bei ihren wenigen Gesprächen kann man (wenn man es darauf anlegt) zwar ein Knistern zwischen den beiden spüren, im Großen und Ganzen war es mir aber einfach zu wenig, um von einer wirklichen Annäherung zu sprechen. Die skurrilen Nebencharaktere sind mir weiterhin zu blass und eindimensional geblieben. Vor allem Lockes Gesichtslosigkeit sorgt angesichts seiner zugeschriebenen Rolle als Meister des Dramas für eine ungewollte Komik.

Ich werde wohl kein Fan der Reihe mehr werden, aber nach dem Ende werde ich Band 3 auch lesen und bin neugierig, wie das Spiel für Jude ausgeht. Jetzt ist sie wieder am Zug und ich bin gespannt, was sie aus Cardans Versprecher, der ihm ja wohl nicht aus Versehen unterlaufen sein wird, macht.