Rezension

Das Thema Holocaust empfehle ich erst für Leser ab 10 Jahre

Erikas Geschichte
von Ruth Vander Zee Roberto Innocenti

Bewertet mit 5 Sternen

Ruth Vander Zee erzählt die Geschichte einer Frau, die sie auf einer Europareise in Rothenburg o. T. getroffen hat oder getroffen haben könnte. Es ist das Schicksal eines Kindes, das als Säugling vor dem Holocaust gerettet und von Fremden aufgezogen werden konnte, weil seine Mutter das Babybündel aus dem fahrenden Zug warf, der sie selbst in ein Konzentrationslager brachte. Das Findelkind, das seine Pflegeeltern - allein durch seine Existenz - in Gefahr brachte, bekam einen Vornamen, es wurde geliebt und umsorgt. Die Frau von heute erinnert sich im letzten Bild des Buches an eine Szene ihrer Kindheit, als sie in einer friedlichen Umgebung selbst den Zügen nachsah. Erikas Geschichte wird mit großem Zeilenabstand erzählt, die ihr Zögern beim Erzählen symbolisieren könnten. Roberto Innocentis photorealistische Illustrationen würden in ihrer Eindringlichkeit ganz ohne Worte auskommen.

Die routinemäßige Verlags-Empfehlung des Buches für Kinder ab 5 Jahre - ungeachtet des Buchinhalts - macht mich hier ziemlich ratlos. Kinder im Vorschulalter fragen von sich aus selten nach dem Holocaust, wenn in der Familie nicht schon darüber gesprochen wurde. Die Situation von Menschen, die nichts über ihre Herkunft wissen, ist dagegen zeitlos und vermutlich in allen Famililen Thema, in denen einer der Vorfahren seine Eltern nicht kennengelernt hat, weil derjenige als Säugling "weggegeben" wurde. Die Holocaust-Thematik empfehle ich Eltern, denen das Thema nicht als Teil der Familiengeschichte vertraut ist, für ihre Kinder erst ab 10 Jahre.