Rezension

Das Webmuster des Lebens

Cocoon - Die Lichtfängerin - Gennifer Albin

Cocoon - Die Lichtfängerin
von Gennifer Albin

Bewertet mit 4 Sternen

Adelice lebt in Arras, einer Welt, in der nur wenige die Fähigkeit besitzen, die Webmuster des Lebens um sich herum sehen zu können. Die Gilde, welche über Arras herrscht, ist auf der Suche nach diesen Mädchen, um sie als Webjungfern zu sich zu holen. Doch das bedeutet, die Herrschaft der Gilde zu unterstützen und seine Familie für immer zu verlassen. Adelice versucht, unentdeckt zu bleiben, verrät sich jedoch bei der Prüfung. Nach einem misslungenen Fluchtversuch möchte die Gilde Adelice trotzdem zur Webjungfer ausbilden, denn ihre Fähigkeiten sind mächtig. Wird sich Adelice dem Druck der Gilde widersetzen können?

Das Cover, deren Verzierungen an die Webfäden erinnert, die im Buch beschrieben sind, gefällt mir sehr gut. Auch das abgebildete Mädchen entsprach in etwa meiner Vorstellung von Adelice, wobei diese laut Geschichte rote Haare hat. Auch den Titel „Cocoon“ empfinde ich als passend, auch wenn sich dessen Bedeutung erst allmählich ganz offenbart. Lediglich der Untertitel „Die Lichtfängerin“ verwirrt mich etwas, denn niemand hat in der ganzen Geschichte Licht eingefangen.

Der Schreibstil der Autorin hat es mir leicht gemacht, mich schnell in diese gänzlich andere Welt einzufinden. Wie die Gesellschaft funktioniert, warum Webjungfern überhaupt gesucht werden und was deren Aufgaben sind, wird nach und nach offenbart. Ich fand diese Schilderungen verständlich, auch wenn Vieles der Fantasie überlassen wurde. Im Laufe des Buches wurden die praktizierten Webvorgänge jedoch komplexer und abstrakter, sodass ich mitunter Schwierigkeiten hatte, mir ihren Ablauf vorzustellen.

Die Hauptperson Adelice ist mir schnell sympathisch geworden, und ich konnte die innere Zerrissenheit, die sie empfindet, gut nachvollziehen. Wie auch der Leser begreift sie nur langsam, was in ihrer Welt wirklich vor sich geht, und macht schließlich grausige Enthüllungen. Sich der Kontrolle der Gilde zu entziehen, ist jedoch nahezu unmöglich, und so werden Adelice Entscheidungen zur Gradwanderung zwischen Rebellion und Fügung.

Verständnis erhält Adelice in ihrer Situation von den Jungen Erik und Jost sowie ihrer Mentorin Enora und der Stickmeisterin Loricel. Wie auch sie selbst befindet sich jeder von ihnen in einer persönlichen Dilemmata-Situation. Doch nur mit ihrer Hilfe gelingt es Adelice, die Pläne der Gilde zu verstehen und nach Auswegen zu suchen. Etwas gestört hat mich die Entwicklung von Adelices Verhältnissen zu Erik und Jost – hier wollte die Autorin wohl um jeden Preis ein bisschen Romantik ins Buch bringen. Ihre Unterhaltungen mit Loricel hingegen waren meine absoluten Highlights. In ihnen wird der Zustand der Welt Arras reflektiert, und die Loyalitätsprobleme, denen sich Loricel seit langer Zeit gegenübersieht, werden Adelice erst gänzlich klar.

„Cocoon“ entführt den Leser in eine fantastische Welt, in der sich die taltentierte Adelice für die Unterstützung der grausamen Herrscher oder den gefährlichen Versuch einer Rebellion entscheiden muss. Da sich die Autorin für eine komplexe Funktionsweise der Welt Arras und des Webtalents entschieden hat, ist an einigen Stellen ein aufmerksames Lesen unbedingt erforderlich, um nicht den Faden zu verlieren. Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, sodass ich es an alle Leser dystopischer Jugendliteratur weiterempfehlen kann!