Rezension

Das wichtige Jahr 1945 aus verschiedenen Perspektiven

Café Engel - Marie Lamballe

Café Engel
von Marie Lamballe

Bewertet mit 3.5 Sternen

Mit „Café Engel“ reiht sich Marie Lamballe ein in die Vielzahl der historischen Familien-Trilogien, die derzeit auf den Markt schwemmen. Aber der Erfolg gibt den Büchern in der Regel recht – epische Familiensagas im historischen Gewand sind gefragt wie noch nie. Auch in bin eine begeisterte Leserin solcher Bücher – wenn sie gut geschrieben und mitreißend sind.

Letzteres kann ich hier auf jeden Fall unterschreiben. Der erste Teil dieser Trilogie katapultiert den Leser in die letzten Kriegsmonate – in den Winter des Jahres 1945. Doch nicht nur die Zustände im Café Engel werden hier beleuchtet. Das Buch erzählt vom Schicksal mehrerer Personen, deren Verbindung zum Café Engel erst im Laufe der Geschichte offenbar wird.

Besonders im ersten Drittel haben mich die Schilderungen gefangen genommen. Da ging es z. B. um Soldaten in Gefangenschaft, ostpreußische Flüchtlinge, aber auch um die vormals berühmten Künstler, die vor dem 2. Weltkrieg im Café Engel gegenüber des Theaters ein und aus gingen. Ihre Schicksale demonstrieren den Wahnsinn des Krieges aus ganz verschiedenen Perspektiven und die Lektüre geht nah.

Leider kann das Buch nicht über die gesamte Länge halten, was es im ersten Drittel verspricht. Als die Handlungsstränge langsam aufeinander zu laufen, hatte ich den Eindruck, dass die Charaktere zugunsten der Dramatik arg „zurechtgebogen“ wurden. Eine ehemals patente junge Frau mit dem Herz auf dem rechten Fleck wird zur missgünstigen Furie, der alternde Cafebesitzer (der in Gefangenschaft seinen jungen Kameraden ein Vorbild an Genügsamkeit und Mut war) wird zum wehleidigen Pascha. So ganz nachvollziehbar erklärt waren diese Sinneswandel für mich nicht. Ganz im Gegenteil – es wird noch eins draufgesetzt und nach einer kleinen Wendung wird die missgünstige Schnepfe plötzlich wieder zur liebevollen Freundin…

So sehr ich das Buch auch beim Lesen genossen habe – diese Missklänge wollten nicht aus meinem Kopf verschwinden, ich konnte sie nicht einfach ausblenden. Das Buch ist dadurch für mich nicht ganz „rund“, so dass ich es im guten Mittelfeld mit 3,5 Sternen ansiedele.