Das Zeitproblem
Bewertet mit 2 Sternen
Nicht nur ein Zeitproblem, sondern gar eine richtige Zeitkrankheit unterstellt die Ich-Erzählerin und Tochter ihrer Mutter, die bis zum Tod des Ehegatten und Vaters doch eine Berufsjugendliche war. Nun ist sie schockgealtert und die Tochter erinnert sich an ihre Kindheit und Jugend mit ihren Eltern.
Das Haus, das im scheinbaren, weil titelgebenden, Zentrum und zugleich im hässlichen und versnobten Kassel liegt, ist vordergründig schuld an allem Übel, das diese Familie wie Pech unentrinnbar umschließt. Ein finanzielles Desaster, ein paar Rohrbrüche und das nagende Gefühl an dieses Haus für immer gebunden zu sein, lässt alle Hoffnung auf Anerkennung in der Gesellschaft, bzw Änderung der Situation ersticken.
Es fällt mir schwer, diesen Roman zu beschreiben, denn es ist nicht das Haus, oder gar der feste Glauben an das Unglück dieser Familie, das hier mit anfangs durchaus witzigen Euphemismen umschrieben wird. Schnell kristallisiert sich hier eine respektlose und wenig amüsante Beschreibung des erweiterten Familienkreises, inclusive der Stadt Kassel heraus, die einem feinfühligeren Leser das Lächeln aus dem Gesicht treibt. Eine Mutter, die sich in ihrer Vorstellungswelt verliert, ein Vater, der verzweifelt ihren Ansprüchen zu genügen versucht, Großmütter, deren Erben sehnsüchtig auf ihren Tod warten und Tanten, deren schrullige Schreie nach Aufmerksamkeit ignoriert werden... für einen Familientherapeuten wäre es wohl eine Lebensaufgabe gewesen.
Für eine Satire hatte es zu wenig Humor, für eine Aufarbeitung eines Familiendramas zu wenig Tiefgang, für eine Schreibtherapie zu wenig Reflexion und wenn es der berühmte Spiegel ist, der dem Leser hier vorgehalten werden soll, kann ich nur empört rufen: Never ever!
Das Zeitproblem der Mutter überträgt sich auf die Leserin (in meiner Person), die sich nach ein paar Lesestunden verwundert fragt, ob sie hier nicht ihre Zeit verschwendet hat. Und wenn dies durchaus als Beleidigung aufgefasst werden kann, dann ist es aber auch ein Wink mit dem Zaunpfahl, ob sich ein paar Familienmitglieder der Autorin und Kasselaner nicht auch durch dieses Buch beleidigt fühlen.
Kommentare
wandagreen kommentierte am 27. September 2024 um 09:00
Es ist alles so geringschätzig. Deshalb mag ich es nicht. Und du auch nicht. Witzig ist nicht dasselbe wie gehässig.