Rezension

Das zerbrochene Herz

Die Verlorenen -

Die Verlorenen
von Stacey Halls

Bewertet mit 4 Sternen

2 Frauen am Abgrund- eine fast unglaubliche Geschichte über die Klassengesellschaft im "alten" London

Optisch ein liebevoll gestaltetes Buch mit vielen kleinen Details, die man erst später verstehen wird. Die Kapitel sind sehr übersichtlich aufgeteilt und immer von einem geteilten Herzanhänger eröffnet. Was hat es mit diesem Anhänger auf sich? Eine einfache Erklärung, auf die wir Leser noch etwas warten müssen.

Beth ist ein junges Mädchen, welches im armen Teil Londons aufwächst und mit ihrem Vater jeden Tag aufs neue ums überleben kämpft. Erschwert wird ihr Los zum einen durch ihren nichtsnutzigen Bruder, der jede Münze für Gin eintauscht, zum anderen aber auch durch die Tatsache, dass sie soeben ein Kind auf die Welt gebracht hat. Die Identität des Vaters will sie nicht preisgeben. Ihre Familie kann sich kaum selbst versorgen und sie muss arbeiten um zu überleben. Der einzige Ausweg ist ein Kinderhaus. Doch nicht jedes Kind wird genommen. Nur die Kinder die jünger als 6 Monate sind und gesund haben eine Chance an der Lotterie teilzunehmen. Sie erhält einen Platz für ihre Tochter Clara, gerne einen Tag alt.

Namen existieren in dem Kinderhaus nicht. Clara bekommt eine Nummer und ein Andenken von Beth, damit sie ihre Tochter wieder zurückholen kann, wenn ihre Lebensumstände besser geworden sind. Für viele Kinder bedeutet das, dass sie ihre Eltern nie wieder sehen werden. Vielleicht ist das auch besser so, so hart wie es klingt. Es ist eine raue Zeit und ein uneheliches Kind ist für viele Frauen ein Grund sich das Leben zu nehmen.

Das Erinnerungsstück für Clara ist ein halbes Herz aus Walknochen, in dem ein B für Beth eingeritzt ist. Sie fügt ein C hinzu und lässt ihr Kind mit einem Gefühl der Leere hinter sich. Doch sie vergisst ihre Tochter nicht und kämpft jeden Tag für den Moment sie wieder zu sich holen zu können. Nach 6 Jahren der Ungewissheit ob ihre Tochter noch lebt kehrt sie mit Ersparnissen und großen Hoffnungen zum Heim zurück. Doch plötzlich bricht ihre Welt zusammen, als sie erfährt, dass sie ihre Tochter angeblich nur einen Tag später wieder abgeholt hat. Ihre Tochter lebt, scheint aber für sie verloren.

Beth ist aber eine Kämpferin. Sie will herausfinden, was mit ihrer Tochter passiert ist. Ihre ganzer Lebensinhalt fokussiert sich nun auf diese Aufgabe. Durch eine günstige Fügung begegnet ihr im Kinderhaus ein Arzt, der sich ihrer annimmt und ein offenes Ohr für ihre Probleme hat. So bekommt sie eine Chance ihre Tochter zu finden. Doch es stellt sich heraus, dass diese wohlbehütet in einem goldenen Käfig aufgewachsen ist. Wie soll sie an sie herankommen? Kann Beth ihr ein schönes Leben bieten? Reicht die Liebe einer Mutter aus?

Das Buch hat einen angenehmen Schreibstil und liest sich sehr flüssig. Natürlich spielt der Handlungsstrang in der Vergangenheit, daher werden einige Berufe für den ein oder anderen ungewohnt sein. Die Geschichte ist außergewöhnlich und liest sich manchmal wie ein Krimi. Was mir am Ende gefehlt hat, ist der emotionale Zugang. Ich bin selbst eine Mutter und kann die Situation sehr gut nachempfinden. Ich hatte bei diesem Buch aber immer das Gefühl eher eine Beobachterin zu sein. Vielleicht ist dies aber auch so gewollt.