Rezension

Das Ziel leider verfehlt

So tödlich der Wald -

So tödlich der Wald
von David Seinsche

Bewertet mit 3 Sternen

Die Geschichte:

Johannes Burgmeister, Oberkommissar aus München, wird nach einem misslungenen Undercover Einsatz, der Menschenleben gekostet hat, vorübergehend für die Dauer der internen Ermittlung vom Dienst suspendiert. Um sich seine Wunden zu lecken, zieht er sich in die finnische Provinz zurück. Ganz zufällig wird dort bei einer Treibjagd eine Leiche gefunden und Burgmeister gebeten, die Ermittlungen zu übernehmen. Um die Sprachbarriere zu überwinden, wird ihm der Berufsanfänger Matti Halonen, der bei der Verkehrspolizei seinen Dienst versieht, als Partner zur Seite gestellt.

Mein Eindruck:

Hmmm, was soll ich dazu sagen. Der Stoff hat Potenzial, das leider nicht ausgeschöpft wurde.

Da ist zunächst einmal der frustrierte und mit der Welt im Clinch liegende Oberkommissar, der sich als echter Stinkstiefel und Miesmuffel präsentiert. Der ist so unsympathisch, dass man das Buch am liebsten weglegen würde. Mir ist er jedenfalls gehörig auf die Nerven gegangen. Mein erster Gedanke: Der hat die Kinderstube auf Rollschuhen durchlaufen und nichts, aber auch gar nichts an Anstand gelernt.

Dann ist da sein Gegenstück Matti Halonen, ein aufgeweckter, sympathischer, harmoniesüchtiger junger Polizist, dem man die skandinavische Art abnimmt. Dank seiner deutschen Mutter ist er der deutschen Sprache mächtig und fungiert zunächst in erster Linie als Dolmetscher, mit der Zeit bringt er sich aber immer mehr in die Ermittlungen ein.

Und dann gibt es noch die Jäger, die in einem Verein organisiert sind und offenbar im Dorf viel Einfluss haben.

Soweit die drei Hauptfiguren bzw. zwei Figuren und eine Gruppe.

Aber bei dem Ganzen Plot stellen sich für mich Fragen. Zum Beispiel: Woher weiß die örtliche Polizei, dass der völlig zurückgezogen lebende Burgmeister ein deutscher Kommissar ist? Wieso kann die finnische Polizei den Fall nicht selbst übernehmen? Wie kann ein suspendierter deutscher Kriminalbeamter, gegen den im heimischen München intern ermittelt wird, die Ermittlungen mit weitreichenden Kompetenzen in Finnland übernehmen? Das ist in meinen Augen völlig unrealistisch. Soweit ich weiß, hat er keinerlei Befugnisse im Ausland zu arbeiten, sofern er nicht auf Amtshilfeersuchen abgeordnet wurde. Was hier nicht der Fall ist. Aber gut, es handelt sich um eine fiktive Geschichte und Krimis oder Thriller sind nicht immer realistisch.

Doch es geht noch weiter. Da sitzt eine Gruppe von Jägern auf Baumstämmen, um während einer Treibjagd eine Pause zu machen, als die Waidmänner plötzlich ein Donnern hören, das sie nicht von einem Schuss unterscheiden können. Was sind das bitte für Jäger?

Fürchterlich genervt haben mich die Dialoge in finnischer Sprache. Das ist eine neue Mode, die leider auch immer mehr in Filmen vorkommt. Da unterhalten sich Menschen in ihrer Sprache und der Zuschauer muss die Untertitel lesen. Es ist ja schön, dass der Autor finnisch kann, und am Anfang kann man das ja auch mal machen. Aber es kommt immer wieder vor. Dazu dann noch die Übersetzung des jungen Polizisten Matti – das hemmt den Lesefluss gewaltig und nimmt die Lust am Lesen.

Aus psychologischer Sicht gesehen hat David Seinsche interessante Charaktere angelegt. Wenngleich der Kommissar sehr unsympathisch erscheint. Begründet wird sein Gemütszustand auf seiner missglückten Ehe und der gestörten Beziehung zu seiner Tochter, an denen er allerdings selbst schuld ist. Was er am Ende auch erkennt und einsieht.

Was die Ermittlungen angeht: Burgmeister geht sehr raubeinig vor, überdehnt meiner Meinung nach die Regeln gewaltig und bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen legalen und unerlaubten Mitteln. Die Untersuchung des Falles verläuft zäh, was der Spannung aber nicht schadet. Wobei der Spannungsbogen auch nicht gerade steil verläuft, eher vor sich hin plätschert. Und ob Jäger, die ihre Waffen zur Untersuchung abgeben müssen, tatsächlich vor der Polizeistation demonstrieren und teilweise sogar randalieren ist fraglich.

Was auch völlig überflüssig erscheint, ist der Einkauf in der finnischen Lidl Filiale, in der Burgmeister Leberkäse und Brezeln findet. Zumal der Rückfahrt vom Einkauf in einem weiter entfernten Ort ziemlich viel Raum zugestanden wird. Denn der arme Matti, der als Fahrer fungiert, ist schuld daran, dass sie in einen Stau kommen und er keine Kühlbox hat, um den Leberkäse frisch zu halten. Wohlgemerkt, die Story spielt nicht im kalten finnischen Winter. Der Leberkäse übersteht die Stunden im warmen Auto scheinbar unbeschadet und schmeckt bzw. bekommt dem Kommissar am Ende noch. Ich hätte den im Hinblick auf die auch ohne Stau langen Fahrstrecke und der fehlenden Kühlbox wahrscheinlich erst gar nicht eingekauft oder ihn spätestens zuhause vernichtet. Um nicht zu sagen: Der Absatz ist eigentlich völlig unnötig.

Das nächste was mich dann noch gestört hat, ist das Ende, bei dem Burgmeister … nein das verrate ich nicht. Das wäre gespoilert. Aber auch das ist eigentlich unrealistisch.

Fazit:

Ich hatte mir von dem Roman mehr erhofft. Zumal David Seinsche mit dem Roman „Die Bestie“ bewiesen hat, dass er es sehr viel besser kann. Die ganze Story ist mir zu konstruiert und zu unrealistisch.

Leseempfehlung:

Von mir gibt es höchstens drei Sterne. Der Autor hat viel Arbeit in den Roman gesteckt, was ich anerkenne. Allerdings hat er für mich das Ziel, einen spannenden Roman mit viel skandinavischem Flair zu schaffen, leider verpasst. Schade, denn er kann das wirklich besser. So hoffe ich darauf, bald einen neuen, besseren Roman von ihm zu lesen.