Rezension

Dave Robicheaux´ zehnter Fall – und mein erster

Sumpffieber - James Lee Burke

Sumpffieber
von James Lee Burke

Bewertet mit 3.5 Sternen

Vor etlichen Jahren wurde in New Iberia ein radikaler Gewerkschaftsführer auf brutale Art und Weise ermordet. Der Fall konnte nie aufgeklärt werden, die Täter sind nach wie vor auf freiem Fuß. Jahrzehnte später sind die Kinder dieses Mannes, Megan und Cisco Flynn, zurück in der Gegend – scheinbar um zu arbeiten. Als wenige Tage nach ihrer Ankunft zwei weiße Brüder nach der Vergewaltigung eines schwarzen Mädchens kaltblütig erschossen werden fällt der Verdacht auf einen Mann, der auch schon damals beteiligt gewesen sein soll: Alex Guidry. David Robicheaux ermittelt in diesem Fall, kann aber auch den Cold Case nicht fallen lassen – insbesondere deshalb nicht, weil Megan immer wieder seine Nähe und Unterstützung sucht. Als der Verdächtige kurz bevor er Robicheaux die Wahrheit erzählen kann ebenfalls ermordet wird weiß dieser, dass er auf der richtigen Spur ist. Und sich mit gefährlichen Leuten angelegt hat.

„Sumpffieber“ ist der inzwischen zehnte Fall (von 23!) der „Dave-Robicheaux-Reihe“ des amerikanischen Bestsellerautors James Lee Burke – und mein erster! Ich bin hin und weg von seinem großartigen, wortgewaltigen Schreibstil! Absolut außergewöhnlich und ganz anders als das, was einem normalerweise in Büchern begegnet. Auch die – sicherlich nicht einfache – Übersetzung dieser poetischen und intelligenten Sprache ist gut geglückt und hochwertig. Etwas schwach fand ich lediglich die oftmals sehr kurzen und wenig aussagekräftigen Dialoge zwischen den Figuren.

Als Leser spürt man deutlich die Verbundenheit des Autors mit der Gegend in Louisiana, in der er nicht nur seine Bücher ansiedelt, sondern auch selbst lebt. Burke beschreibt insbesondere Landschaften und alltägliche Situationen sehr metaphernreich und atmosphärisch. Man kann die Bayous, Bäume und Sumpflandschaften der Südstaaten regelrecht riechen und fühlen, so anschaulich werden sie dargestellt. In diese idyllischen Landschaftsbeschreibungen siedelt er als krassen Kontrast das Böse, von Menschen Gemachte an: Rassismus, Gewalt, Alkoholismus, Kriminalität und Armut. Diese Themen werden in all ihren dunklen Facetten ungeschönt beschrieben, was mir teilweise etwas zu brutal war. Burke zeichnet ein grausames Bild von Amerikas Südstaaten. Insbesondere das Rassismus-Thema war sehr präsent. Das stimmte mich sehr traurig, da das Buch schon über 20 Jahre alt ist,  Burkes gesellschaftskritische Themen allerdings gerade in der momentanen Zeit aktueller sind denn je.

Zunächst fiel es mir zugegebenermaßen etwas schwer, aufgrund der sehr schnellen Gedankensprünge in die Geschichte hineinzukommen. „Sumpffieber“ ist aus Sicht von Robicheaux geschrieben, ohne dass es großer Erklärungen bedarf. Spannend fand ich auch die ab und an auftretenden Perspektivwechsel. Der Anfang erfolgte sehr schnell, man wurde regelrecht in die Story hineinkatapultiert. Robicheaux war mir zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannt und auch die verschiedenen Handlungsstränge und zahlreichen Personen zu erfassen empfand ich als kompliziert. Robicheaux agierte wie ein moderner Robin Hood, so ganz konnte ich seine Rolle zwischen Polizist, und Privatperson bis zum Ende hin nicht einordnen. Auch gab es unzählige undurchsichtige  Figuren, so dass bis zum Schluss unklar blieb, wer eigentlich Opfer oder Täter oder beides war. Diese Figurenzeichnung empfand ich als recht spannend, da die meisten weder gut noch schlecht, sondern als Produkt ihrer Sozialisation präsentiert werden.  Zum Ende hin war ich deshalb leider aber sehr verwirrt. So ganz habe ich nicht mehr zusammenbekommen, wer wie mit drin steckt und bin leider zugegebenermaßen etwas ausgestiegen, was mir sonst eigentlich nie passiert. Schade auch, dass es keine gerechte Strafe für die wirklich Schuldigen gab.

Insgesamt muss man durchgängig aufmerksam bleiben und sehr genau lesen, um den roten Faden nicht zu verlieren – das Buch ist definitiv nichts fürs schnelle, unkomplizierte Entspannungslesen.