Rezension

Dekonstrukt

Die Rache ist mein -

Die Rache ist mein
von Marie Ndiaye

Bewertet mit 2 Sternen

Inhalt:
Me Susane ist nach eigenen Angaben eine unscheinbare Frau mittleren Alters und Anwältin. Allerdings keine gute Anwältin, sondern eine, die kaum ernsthafte Mandate bekommt. Bis zu dem Tag an dem ein gewisser Gilles Principaux in ihrem Büro auftaucht und sie beauftragt, seine Ehefrau in einem großen Prozess zu vertreten. Marylene wird vorgeworfen, die drei gemeinsamen Kinder in der Badewanne ertränkt zu haben.

Doch Me Susane erkennt schnell, dass einen besonderen Grund gibt, warum ausgerechnet sie, den Fall der Familie Principaux übernehmen soll. Sie glaubt, eine gemeinsame Vergangenheit mit Gilles Principaux zu haben. Die Vergangenheit reicht weit in ihre Kindheit und noch weiter in die Tiefen ihrer Fähigkeit sich zu zu erinnern hinab. Sie weiß nicht mehr genau, was damals geschehen ist, aber sie ahnt, dass es ihr weiteres Leben immens geprägt haben muss.

Meine Meinung:
Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich den Inhalt von „Die Rache ist mein“ richtig wiedergegeben habe. Ich habe ihn zumindest so zusammengefasst, wie ich glaube, dass er gemeint sein könnte. Die Wahrheit ist allerdings: Ich habe ab etwa der Hälfte dieses ca. 200 Seiten dünnen Buchs nichts, aber auch rein gar nichts mehr verstanden.

Anfangs hat mich die Geschichte fasziniert. Sie ist sehr französisch, die ursprüngliche Sprachmelodie schimmert noch unter der Übersetzung. Das hat mir sehr gefallen. Außerdem werden spannende Themenkomplexe angerissen. Über allem schwebt die Frage, was eine Mutter dazu treibt, ihre Kinder zu töten. Aber es geht auch um die prekären Arbeitsverhältnisse von illegal Eingewanderten, um unterdrückte Frauen, um das gesellschaftliche Bild von Weiblichkeit und Mutterschaft, und vielleicht auch um gewisse Formen des Missbrauchs. 

Dabei gibt es keine Kapitel. Das Buch wird in einem fortlaufenden Strom an Inhalt herunter erzählt.

Me Susane (das „Me“ ist eine französische Anrede für Jurist*innen) ist eine überaus komplexe Figur, die hier im Zentrum des Texts steht. Der Kriminalfall stellt eher eine Nebenhandlung dar. Er wird früh aufgelöst und relativ schlüssig erklärt. Von da an ist allerdings überhaupt nichts mehr schlüssig. Me Susane macht sich viele Gedanken zur Familie Principaux und ihrer eventuellen gemeinsamen Vergangenheit. So viele, dass ich irgendwann nicht mehr wusste, was nun Spekulation, was Tatsache und was reine Einbildung ist. Die Protagonistin erscheint ab und zu fast schon wahnhaft in ihren Vermutungen und Unterstellungen. Ob sie das auch tatsächlich ist, kann ich nicht sagen. Ich kann es nicht einmal vermuten, weil ich irgendwann nur noch zwischen den Sätzen geschwommen bin.

Ich hatte anfangs viele Vermutungen, worauf die Geschichte abzielen könnte. Sie alle haben sich irgendwann in Luft aufgelöst, und ich weiß immer noch nicht, ob irgendeine von ihnen zumindest in Ansätzen stimmt. 

Wenn man „Die Rache ist mein“ lesen will, sollte man all seine Sinne zusammennehmen und sich voll und ganz auf das Buch konzentrieren. Ich glaube, man muss auf jedes feinste Detail achten, um es wirklich durchdringen zu können. Ich habe viele sehr positive Meinungen über dieses Buch gelesen, die von Menschen abgegeben wurden, die sehr viel mehr Ahnung von Büchern und Literatur haben als ich. Es ist in seiner Verworrenheit und seiner Komplexität sicherlich meisterhaft konzipiert worden. 

Aber für mich stecken zu viele Ebenen und zu viel Symbolik zwischen all den Seiten. Es ist nicht nachzuvollziehen gewesen, was die Autorin sagen wollte, oder wie genau sie den Plot am Ende auflöst. Der Text hinterlässt bei mir nichts als Fragezeichen und Verständnislosigkeit. Das Lesen selbst habe ich als zäh empfunden.