Rezension

Dem Leben ist egal, was wir wollen...

Wenn das Eis bricht - Camilla Grebe

Wenn das Eis bricht
von Camilla Grebe

Bewertet mit 4 Sternen

In der Wohnung des reichen Geschäftmanns Jesper Orre wird eine brutal hingerichtete Leiche gefunden. Die junge Frau weißt Spuren eines Kampfes auf und wurde geköpft. Jesper Orre hingegen ist spurlos verschwunden. Einen ähnlichen Fall gab es bereits vor zehn Jahren, jedoch blieb dieser ungelöst. Das Team der Stockholmer Polizei wendet sich an Hanne, die Kriminalpsychologin von damals und bittet sie um Mitarbeit bei dem Fall. Diese befindet sich in einer Krise, denn sie leidet an beginnendem Alzheimer und ihre Existenz bekommt zunehmend Risse. Kann sie die Arbeit an dem Fall noch unterstützen? Und was steckt hinter dem grausamen Mord.

„Wenn das Eis bricht“ ist der Debütroman von Camilla Grebe und wird in die Kategorie Psychothriller eingeordnet. Dies erscheint zunächst passend, denn die Ermittler finden in der Wohnung von Jesper Orre eine brutal hingerichtete Leiche einer jungen Frau vor. Das Buch beginnt mit einem hohen Tempo und man bekommt eine Übersicht über die wichtigsten Charaktere: Peter, Hanne und Emma, aus deren Perspektive die Kapitel abwechselnd erzählt werden. Dabei ist zunächst unklar, welche Rolle Emma hier übernimmt, wohingegen Peter als Ermittler und Hanne als Psychologin klar eingeordnet werden können. Die Autorin gibt einen tiefen Einblick in die Gefühle der Protagonisten und bereits nach einigen Kapiteln hatte ich das Gefühl die Personen gut zu kennen. Dabei wird deutlich, dass alle Drei Probleme und Krisen aufarbeiten müssen. Peter, der unter Bindungsangst leidet und seinen Polizeijob leid zu sein scheint, Emma eine junge Verkäuferin die von ihrem Verlobten sitzen gelassen wurde und zuletzt Hanne, die unter beginnendem Alzheimer leidet und in ihrer Beziehung unglücklich sind, haben alle ihr Päckchen zu tragen. Im Verlaufe des Romans bekommt man Einblicke in die Kindheit und Vergangenheit der Charaktere, was ich für sehr gelungen halte. Trotzdem muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass ich mit einer klareren Fokussierung auf die Geschichte von Hanne gerechnet habe, betrachtet man den Klappentext des Buches. Die Geschichte rund um ihre Alzheimer-Erkrankung steht nicht im Vordergrund, was dem Buch jedoch keinen Abbruch tut.

Vielmehr stehen die drei Charaktere und ihre Geschichte im Mittelpunkt, sodass sogar die Ermittlung kaum zur Rede kommt. Das finde ich zum einen sehr Schade, denn bei einem Psychothriller ist mir diese wichtig, jedoch besticht der Roman durch seine starken Charaktere und deren Lebensgeschichte und Zusammenhänge. Bereits früh habe ich mich gefragt, wie alles miteinander zu tun hat und was hinter den grausigen Morden steckt. Die Erzählungen waren dabei von Anfang an spannend und fesselnd, sodass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Immer wieder haben sich neue Verstrickungen aufgetan, Fragen entwickelt und so der Spannungsbogen bis zum Ende immer weiter aufgebaut.

Die Auflösung jedoch weist dann einige Schwächen auf, die an dieser Stelle nicht aufgeführt werden können, um keine Details zu verraten. Auch wenn ich sie für glaubwürdig halte, fehlten einige Erklärungen und sie kam nach der sehr langen Vorgeschichte (knapp 500 Seiten) meiner Meinung nach etwas zu kurz, wenn auch sie durchaus überraschend war. Zudem würde ich den Roman nicht als einen klassischen Psycho-Thriller beschreiben, denn bspw. Grusel-Elemente à la Fitzek oder King blieben aus. Trotzdem gibt es durch aus Elemente in den Charakteren und Vorgeschichten, die dem Genre zugeordnet werden, sodass eine Einordnung schwierig erscheint.

Trotzdem würde ich den Roman weiter empfehlen, denn Camilla Grebe gelingt es durch ihre unglaublich tolle Sprache und die starken Charaktere eine fesselnde Atmosphäre aufzubauen, die auch ohne Gruselelemente die Spannung aufrecht erhält und Fragen aufwirft. Durch detaillierte Beschreibungen der Gefühle, Personen und der Umgebung taucht man tief in das Buch ab und fühlt sich in die Personen ein. Zudem gibt es einige tiefgründe Stellen zum Thema Liebe und Alzheimer die mir sehr gut gefallen kann („... ein Mensch besteht doch aus seinen Erfahrungen, Gedanken und Erinnerungen. Wenn es die nicht mehr gibt – was bin ich dann? Jemand anderes? Etwas anderes?“).

Am Ende gebe ich dem Buch 4 Sterne, denn auch wenn es nicht das war, was ich erwartet habe, konnte es mich durch seine starken Charaktere und die tolle Sprache überzeugen. Auch wenn Hannes Alzheimer-Erkrankung und die Ermittlungsarbeiten in den Hintergrund rücken ist das Buch allemal Lesenswert, da es die Protagonisten hervorhebt und deren Entwicklung gut herausarbeitet, sodass es am Ende doch anders kommt, als gedacht.