Rezension

Den Schluss könnte man weglassen!

Gockel, Hinkel und Gackeleia - Clemens Brentano

Gockel, Hinkel und Gackeleia
von Clemens Brentano

Bewertet mit 2.5 Sternen

Gockel, Hinkel und Gackeleia ist ein Kunstmärchen aus dem 19. Jahrhundert, das satirisch und kurzweilig auch auf den heutigen Leser wirkt – oder es wäre dies, wenn der Schluss nicht wäre.

Für eine Zusammenfassung des Inhalts empfehle ich einen Besuch von Wikipedia. Mir fällt es etwas schwer, die verschachtelte Handlung wiederzugeben.

Wichtig ist, dass sie aus lauter skurriler Ideen besteht: Ein Mäusekönigreich, sprechende Blumen, Zaubertalismane, ein Hühnerministerium, Ostereiorden... Die Liste ließe sich beliebig weiterführen. Wie schon die Namen der Protagonisten (Graf Gockel, seine Frau Hinkel und die Tochter Gackeleia) andeuten, spielen Hühner eine ganz besondere Rolle in dieser Märchenwelt. Interessant ist, dass die fiktiven Orte zum Teil in direkter Nachbarschaft von Nürnberg oder Frankfurt sind. Durch diese Verbindung wird der Allegoriecharakter der Geschichte deutlich. Für historisch gebildete LeserInnen sind die Parallelen zur Fürstenwelt des beginnenden 19. Jahrhunderts extrem, besonders als es um die Invasion der Franzosen und deren Hühnerschlachtung geht. Allerdings kann man die Handlung auch ohne diese Kenntnisse verstehen. Teilweise sind Daten so exakt, in Brüchen ausgedrückt, dass man Lachen muss. An anderen Stellen ist die Erzählung bewusst vage.

Ein großer Teil der Handlung ist in Versen beschrieben, die recht einfach gehalten werden. Zumeist sind sie Kinderversen sehr ähnlich. Einige der Verse kennen wir tatsächlich auch heute noch (zum Beispiel das Nachtgebet Guten Abend, Gute Nacht). Große Meisterleistungen sind sie gerade bezüglich ihrer Reime nicht, lockern aber die Erzählung auf.

Bis dahin also sehr unterhaltsam und interessant. Als ich jedoch drei viertel der Erzählung gelesen hatte, fragte ich mich, was noch kommen sollte. Die Geschichte war nämlich im Prinzip erzählt. Die Tochter verheiratet, die Eltern reich und schön, die Helfer belohnt, die Bösewichte in Esel verwandelt. Was also noch?

Jetzt driftete der Text in furchtbar lange Ergüsse über irgendwelche heiligen Vorfahren Gockels und Hinkels, deren treuen Dienern und Handlungen, die Ausstattung ihrer Gräber, ihres Hochzeitsschmucks etc. ab. Die christliche Romantisierung des Ganzen war noch schlimmer als bei Novalis' Heinrich von Ofterdingen und ich vermisste die Ironie, die zuvor immer in der Erzählung zu spüren war. Dieser Abschnitt ist wirklich nur noch für LiteraturwissenschaftlerInnen interessant. Allerdings kann man – meiner Meinung nach – durchaus auch einfach vorher aufhören zu lesen.

Ein weiterer Minuspunkt ist das antisemitische Potential des Märchens. Zwar werden die drei Gegenspieler der HeldInnen nie direkt Juden genannt, doch die Parallelen und Hinweise auf die Herkunft der finsteren Brüder sind offensichtlich. Da dies aber nicht generalisierend ist und nur implizit eine Rolle spielt, darf man den Aspekt gerade für die damalige Zeit nicht überbewerten.

Fazit: Ohne die Ausschweifungen am Ende ist Gockel, Hinkel und Gackeleia ein unterhaltsames Märchen mit originellen Figuren und kurzweiligen Allegorien. Die Skurrilität ist bildlich, sehr modern und ließ mich die Handlung fast im Stil Tim Burtons (The Nightmare before Christmas) sehen.

Sollte ich die Erzählung nochmal lesen, lasse ich den Schluss aber weg.