Rezension

Dennoch: seine beiden ersten Bücher haben mir besser gefallen. Den für die Lektüre des neuen Buches nötigen Sinn für Esoterik besitze ich nicht.

Der Wanderer - Luca D'Andrea

Der Wanderer
von Luca D'Andrea

Bewertet mit 3 Sternen

Luca D` Àndrea, Der Wanderer, Penguin 2019, ISBN 978-3-328-60025-1

 

Mit dem neuen Thriller des Südtiroler Erfolgsautors Luca D`Andrea habe ich mich schwer getan. Zu verworren scheint zunächst die Handlung, zu unklar die ab der Mitte des Buches eingeführte geheimnisvolle Figur des „Wanderers“, die dem Buch seinen Titel gab.

 

Das Buch spielt in Kreuzwirt, einem auf den ersten Blick beschaulichen kleinen Örtchen in Südtirol, an dem der Tourismus vor langer Zeit schon vorbeigegangen ist. Kreuzwirt entpuppt sich als ein Ort voller Geheimnisse und vielfältiger Seilschaften, in die der zunächst von der Handlung etwas verwirrte Leser im Laufe des Buches einen düsteren Einblick erhält.

 

Als die junge, motorradbegeisterte Sybille eines Tages einen Brief ohne Absender erhält, befindet sich in ihm ein Bild ihrer toten Mutter. Vor über zwanzig Jahren war sie bei einem mysteriösen Unfall am See ums Leben gekommen, ein Unfall, der damals schnell als Selbstmord zu den Akten gelegt wurde.

 

Irgendwer will Sybille mit diesem Hinweis zeigen, dass sich ihre Mutter damals eben nicht umgebracht hat, sondern dass sie ermordet wurde. Zusammen mit dem Schriftsteller Tony, der damals als junger Lokaljournalist über das Geschehen berichtete und der mit seinem riesigen Bernhardiner allein lebt, begibt sie sich auf eine spannende Reise in die Vergangenheit. Was ist da vor zwanzig Jahren wirklich geschehen, als man „die narrische Erika“, die anderen Menschen aus Tarotkarten die Zukunft gelesen hat und in Kreuzwirt keineswegs beliebt war, tot an dem abgelegenen Bergsee gefunden hat? Was hat es mit dem seltsamen Tarotzeichen  auf sich, das vom Bösen kündet?

 

Die beiden, die im Laufe der Handlung durchaus Gefühle füreinander entwickeln, stoßen sehr schnell auf ein Geflecht aus Lügen, Eifersucht und Verrat. Da spielen Drogen eine Rolle, Okkultismus und immer wieder auch ein große Portion Wahnsinn, die der Leser erst einmal mehr oder weniger erfolgreich entwirren muss.

 

Es stellt sich bald heraus, dass das Sonderbare und abgrundtief Geheimnisvolle an der ganzen Geschichte, die der Autor da entwickelt, auf eine schwer zu entschlüsselnde Weise mit der Geschichte der ganzen Dorfgemeinschaft selbst zusammenhängt. Die blockt alle Aufklärungsversuche rigoros ab und beginnt die beiden „Ermittler“ sogar zu bekämpfen.

 

Der Autor lässt den Leser auf weiten Strecken im Unklaren, wer da auf welcher Seite steht. Teils verworrene Handlungsstränge und Gedanken hängen miteinander zusammen, oder etwa doch nicht?

 

Mir ist es so gegangen, dass ich besonders nach langen Leseabschnitten stellenweise dachte, einen Faden der Lösung gefunden zu haben, nur um ihn bald nach einer längeren Lesepause wieder zu verlieren.

 

Dennoch gelingt es dem Autor, seinen Leser bei der Stange zu halten, der unbedingt wissen will, was sich nun genau hinter all den Geheimnissen des Ortes verbirgt und vor allem, wie die bald eingeführte Figur des „Wanderers“ zu interpretieren ist.

 

Die Lösung soll hier natürlich offen bleiben. Doch wenn man trotz der erwähnte Wirrungen tapfer am Buch bleibt, stellt sich ein ungewöhnlicher Leseeffekt ein, der den Leser nicht mehr loslassen will und der sehr viel mit der Sprache und dem Gesamtarrangement des Autors zu tun hat.

 

Dennoch: seine  beiden ersten Bücher haben mir besser gefallen. Den für die Lektüre des neuen Buches nötigen Sinn für Esoterik besitze ich nicht.