Rezension

Der Autor hat mich positiv überrascht

Kleine Stadt der großen Träume, 6 Audio-CD - Fredrik Backman

Kleine Stadt der großen Träume, 6 Audio-CD
von Fredrik Backman

Bewertet mit 4 Sternen

Fredrik Backman überraschte mich nämlich mit dem Inhalt seines Romanes. Ich rechnete nämlich damit, dass es wieder um eine*n Rentner*in gehen würde, die ihr Glück in der Welt suchen. Weit gefehlt würde ich sagen. Der Autor erzählt Kleine Stadt der großen Träume nämlich aus mehreren Perspektiven:

Wir lernen drei Spieler des örtlichen Eishockeyvereins kennen: Zwei von ihnen gehören zur Juniorenmannschaft und sind beste Freunde, seit sie denken können. Wenn sie das im Klappentext erwähnte Spiel gewinnen, winken Ruhm und Ehre und die Möglichkeit, in eine bessere Mannschaft zu wechseln.

Der dritte Eishockeyspieler gehört zum Nachwuchs. Er träumt davon, endlich bei den großen Jungs mitmischen zu dürfen. Als er eines Tages die Möglichkeit dazu bekommt, sich zu beweisen, scheint das Glück vollkommen. Doch dann wird er vor eine schwere Entscheidung gestellt.

Außerdem lernen wir die Familie des Vorstandes von Björnstadts Eishockeyverein kennen: Ehemann Peter, früher selbst Eishockeyspieler, muss sich der Frage stellen, ob er mit der Zeit gehen und Veränderungen im Verein einläuten möchte, oder ob er dazu beitragen will, dass doch lieber alles beim Alten bleibt. Seine Kinder durchleben den typischen Teenager-Kleinstadt Wahnsinn und rollen manchmal mit den Augen, wenn jede*r mit ihrem Vater nur über das Eishockey sprechen möchte.

Ihr lest: Ein chaotisch, idyllisches Kleinstadtleben mit vielen Perspektiven. Jede*r von ihnen erhofft sich etwas von dem Sieg der Eishockeyjunioren... Doch dann geschieht etwas, das die Idylle Björnstadts in Gefahr bringt.

 

Fredrik Backman verbreitet hier eine völlig andere Atmosphäre, als in den beiden vorherigen Romanen (Ein Mann namens Ove und Britt-Marie war hier), die ich bisher von dem Autor gehört habe. Zu Beginn der Geschichte berichtet er uns gleich vom Höhepunkt und rollt die Geschichte dann bis zur besagten Szene auf. Spannend war hier, dass wir wussten, dass die Geschichte auf das Ereignis zusteuert und wir nun erfahren würden, was dazu beigetragen hat, dass es soweit kommen konnte.

Obwohl Kleine Stadt der großen Träume überhaupt nicht gruselig wirkt, hat es mich entfernt doch an einen Thriller erinnert, weil sich die Situation im Ort unmerklich zuspitzt.

 

Der Autor überzeugte mich hier mit vielschichtigen Charakteren: Er greift auf Charaktere zurück, die sich in unterschiedlichen Lebenssituationen befinden. Zwischen ihnen liegen manchmal Welten und das obwohl alle aus demselben Ort stammen. Eishockey spielt im Leben jeden Charakters eine aktive bzw. passive Rolle. Die Entwicklung der meisten Charaktere war für mich gut herausgearbeitet. Nur manche Handlungen einzelner Charaktere konnte ich hier und da nicht ganz nachvollziehen, bzw. kam mir das Ende zum Schluss auch etwas zu schnell.

Was mir etwas Schwierigkeiten bereitet hat war der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Perspektiven. Im nächsten Abschnitt werde ich ausführlicher darauf eingehen.

 

Es scheint zuerst so, als ob sich bei der Hörbuchgestaltung nicht viel verändert hätte: Auch diese Geschichte wurde gekürzt produziert und von Heikko Deutschmann gelesen. Genau wie bisher veröffentlichte Titel von Fredrik Backman.

Allerdings zeigt sich schnell, dass Heikko Deutschmann Kleine Stadt der großen Träume anders liest, als die bisherigen Titel des Autors. Während er bei Ein Mann namens Ove und Britt-Marie war hier verhältnismäßig langsam liest, weil jedes Wort gut betont werden will, liest er bei Kleine Stadt der großen Träume in einer normalen, fast schnellen Geschwindigkeit. Wir können direkt in die Geschichte eintauchen und hören nur vereinzelt, wenn der Sprecher langsamer wird, die Feinheiten und Doppeldeutigkeit, die Fredrik Backman in seinen Worten versteckt.

Heikko Deutschmanns neue Interpretation hat mir grundsätzlich gut gefallen. Allerdings waren mir die Übergänge zwischen den einzelnen Perspektiven teilweise etwas zu plötzlich und ich war hin und wieder etwas orientierungslos, wenn ich mich in einer neuen Perspektive befand. Dennoch hat mir die Interpretation des Sprechers gut gefallen, weil er es auch hier schafft, die richtigen Stellen der Geschichte in seiner Interpretation hervorzuheben und auch, das was zwischen den Zeilen der Dialoge passiert, gekonnt herausarbeitet. Das von mir beschriebene Problem ist also eher eine Art Meckern auf hohem Niveau.

 

Während sich Fredrik Backmans Schreibstil vor allem durch kurze Sätze auszeichnet, in denen sich das Wesentliche zwischen den Zeilen abspielt, versucht er sich hier aufgrund der Perspektiven an einem neuen Stilmittel. Das hat mir sehr gut gefallen, weil er so beweist, dass er Geschichten auf unterschiedliche Weise erzählen kann. Backman konzentriert sich hier vor allem auf die gesellschaftlichen Konflikte in Björnstadt und hebt diesmal hervor, welche Auswirkungen ein einziges Ereignis auf eine ganze Stadt haben kann. (Sonst konzentriert er sich ja meist darauf, wie das Leben eines Charakters verändert werden kann).

 

Gesamteindruck

Kleine Stadt der großen Träume hat mich wirklich positiv überrascht, weil ich nachdem ich zwei Romane des Autors beendet hatte, geglaubt habe, zu wissen, wie er seine Geschichten erzählt. Nun hat mich Fredrik Backman aber neugierig auf weitere Titel gemacht.

Der einzige Punktabzug in der Bewertung kam zustande, weil mir hier und da die Begründung für das Handeln mancher Charaktere gefehlt hat und ich bei einem Perspektivenwechsel Mühe hatte, mich in der neuen Perspektive zurechtzufinden. Wie bereits erwähnt handelt es sich hierbei aber eher um Luxusprobleme.