Der einzige Iraner in seinem Kiez ...
Bewertet mit 4 Sternen
Behzad Karim Khanis Icherzähler ist 10 Jahre alt, als seine Eltern aus dem Iran nach Deutschland flüchten. Die Familie lebt an Bochums Stadtrand in einem Plattenbau. Seine Eltern haben zunächst um die Anerkennung ihrer akademischen Abschlüsse zu kämpfen. Das Examen der Mutter wird schließlich anerkannt, der Vater arbeitet als Taxifahrer. Seinen Zweitjob im Kiosk nutzt er, um Deutschland anhand seiner Tageszeitungen zu studieren. Als stolze Perser misstrauen die Eltern von Anfang an „dem Fernseher“ und bewerten ihre Nachbarn als Menschen, die nicht weiterkommen wollen. Wer flüchtet, will weiterkommen, aber ein anderes „weiter“ als im Heimatland. In der Kohl-Ära der 90er ignoriert Deutschland jedoch noch immer die Realität als Einwanderungsland; von Migranten wird erwartet, dass sie eines Tages in ihre Heimat zurückkehren.
In der Siedlung bilden bereits Kinder mafiöse Strukturen, auf die der kindlich wirkende Einwanderer entschlossen mit Gewalt reagiert. Seinen Platz in der Gang wird er später u. a. als Dealer erkaufen. Markante Umbrüche sind Probeunterricht am Gymnasium für den „einzigen Iraner“ seiner Schule (Mike und Franky werden eine Sonderschule besuchen) und der Zuzug von über 100 Personen einer Nationalität, der das Stadtviertel in ein „die gegen uns“ kippen lässt. Der Schüler selbst erlebt (im Zeitalter des Klettverschlusses) andere Kinder als unselbstständig, ihre Eltern als überfordert. Während Markenklamotten und weiße Schnürsenkel auf der Straße eine eigene Sprache sprechen, nimmt der inzwischen 15jährige in anderen Familien Mütter wahr, die man nie draußen sieht, häusliche Gewalt und eine Verschiebung der Sprache Biodeutscher zu vollmundigen Forderungen. Schwäne auf einem künstlichen Bochumer See knüpfen eine Verbindung zu Schwänen, die der Erzähler in seiner Kindheit als Zugvögel jenseits der iranisch-russischen Grenze beobachten konnte.
Fazit
Behzad Karim Khani lässt seinen inzwischen erwachsenen Icherzähler an ein ungenanntes „Du“ Erinnerungen an ein Aufwachsen als Migrant richten, das in einer kriminellen Karriere enden wird. Gelegentlich eilt der Autor den Ereignissen voraus, analysiert sie aus erwachsener Perspektive und deutet Ereignisse der Zukunft an. Da Khanis Figur charakteristische, nachvollziehbare Entwicklungsschritte vollzieht, hätte ich mir eine konsequentere Konzentration auf dessen Perspektive im jeweiligen Alter gewünscht und weniger rückblickende sozialpolitische Einordnung des erwachsenen Berichterstatters.
Kommentare
wandagreen kommentierte am 10. September 2024 um 18:23
na ja. Wünschen.