Der englische Pilot
Bewertet mit 5 Sternen
1944, als Diana Henriette Adelaide Charlotte von Reventlow-Criminil bereits über 80 Jahre alt ist, stürzt im Watt nahe der Hallig Südfall ein britischer Kampfpilot ab. In Sichtweite liegt die Ausgrabungsstelle Utlande, an der Überreste von Rungholt gefunden wurden. Diana reitet, begleitet von ihrem Hund, samt Gewehr und Fernglas, ins Watt und findet den schwer verletzten Piloten im Wrack seiner Maschine vor. Die Taylorcraft Auster V. liegt wie auf dem Präsentierteller und der Pilot muss bei seiner Entdeckung fürchten, aufgeknüpft zu werden. Diana verfügt über einen Hof auf der benachbarten Insel Nordstrand und beschäftigt auf ihrer schlichten Hallig außer der schon reiferen Haustochter Meta als Kutscher und Mann für alles Knut Maschmann. Maschmann und Diana sind sich einig, weder den Deutschen noch den Briten kann dieser Fund gefallen. Die Maschine muss bei auflaufendem Wasser sofort in die Scheune gebracht und der Pilot versteckt werden. Mitten im Krieg und in einer Region, in der jede Regung über große Distanzen beobachtet werden kann, wird der ungebetene Gast nicht lange unentdeckt bleiben. Nicht nur Dianas Freiheit, nach ihrer Fasson zu leben, wäre in Gefahr, sondern auch Maschmann (warum ist er eigentlich nicht zur Wehrmacht eingezogen?) hätte einiges zu verlieren, wenn die Behörden auf ihn aufmerksam würden. Die familiär bestens vernetzte Gräfin, die mehrere Sprachen spricht und intensiven Briefverkehr pflegt, hat jedoch weitere Verbindungen, die durch den Fremden empfindlich gestört werden könnten. So treffen wir, sich gegenseitig misstrauische beäugend, die Gräfin und Meta bei Tisch mit John Philip Gunter, der behauptet RAF-Pilot zu sein. Dabei wollte Diana nichts weiter als von politischen und familiären Stürmen unbehelligt hier ihren Garten bestellen.
Fazit
Irma Nelles schalkhaft erzählter Roman bezieht sich auf die reale Gräfin von Reventlow-Criminil (1863-1953), der man das überlieferte Abenteuer im Watt durchaus zutrauen kann. Mit plattdeutschen Dialogen und atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen ein Lesevergnügen, in das ich gern länger eingetaucht wäre. Leider verlaufen sich einige Handlungsfäden, so dass u. a. unklar bleibt, was Dianas nächtliche Rezitationen zu bedeuten haben.