Rezension

Der Fall Dora

Ida - Katharina Adler

Ida
von Katharina Adler

Bewertet mit 4 Sternen

Ich habe das Buch gelesen wegen meines Interesses an der Psychologie, und ich wurde nicht enttäuscht. Ida, oder „der Fall Dora“, wie Freud es genannt hat, erzählt von der beeindruckenden Lebensgeschichte eines Mädchens, das zu einer jungen Frau heranwächst in Österreich im Übergang zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert. Das Buch beleuchtet die frühen Lebensumstände der Tochter eines erfolgreichen Textilunternehmers, ihre Somatisierungssymptome, die schwierige Beziehung zu ihrer Mutter, die Liebesgeschichte ihres Vaters, aber auch den politischen Umbruch in Österreich, bei dem Idas Bruder als Sozialdemokrat eine entscheidende Rolle spielt.

Besonders beeindruckt hat mich der 5. Teil des Buches, in welchem es um den „Herrn Doktor“ Freud geht. Einerseits wird hier klar, wie abstrus und an den Haaren herbeigezogen Freuds Theorien teilweise sind. Freie Assoziation, Therapie mit Hilfe von Traumdeutung, die Erklärung von Idas Symptomen und Beschwerden mit Hilfe des Ödipus-Komplexes – was im Klartext heißt: die Symptome sollen Ausdruck sein von Idas unterdrückten sexuellen Wünschen ihrem Vater gegenüber – das ist wohl nicht der aktuelle Stand der Forschung und der Psychologie im allgemeinen. Und doch sind Freuds Ideen bis heute einflussreich, und teilweise wohl auch zurecht. Das Buch zeigt auch auf, wie revolutionär diese Idee wirklich war, Krankheiten mittels Psychotherapie heilen zu wollen, mit Gesprächen auf einem Sofa, das heute noch als das Bild für Psychotherapie gilt, das vielen Menschen dazu zuerst einfällt.

Dieser sehr gute 5. Teil wurde für mich leider etwas getrübt durch die teils sehr komplizierten (politischen) Verwicklungen im Rest des Buches. Dadurch, dass vieles nicht in chronologischer Reihenfolge erzählt wurde, ist es schwierig, überall zu folgen. Ich bin mir sicher, dass alles, was Katharina Adler in „Ida“ schreibt, sehr fundiert und gut recherchiert ist, aber wirklich gefesselt hat mich vor allem der Teil mit Freud. Es hätte etwas weniger Politik sein können und etwas mehr Freud, so lautet also mein Fazit. Nichts desto trotz ein absolut lesenswertes Buch!