Rezension

Der Feind in uns

Arclight - Niemand überlebt die Dunkelheit - Josin L. McQuein

Arclight - Niemand überlebt die Dunkelheit
von Josin L. McQuein

Bewertet mit 5 Sternen

Gleich vorneweg: Dieses Buch ist völlig ungeeignet für Leute, die erst einmal Erklärungen für eine für sie fremde Welt haben möchten. McQuein hält sich nämlich nicht damit auf, irgendetwas zu erläutern, sie wirft uns - peng! - gleich hinein in die Handlung. Friss oder stirb, Leser, lieb mich oder hass mich.

Für mich hat's funktioniert. Ich war sofort gefesselt von dieser Welt im Arclight - eine geschlossene Enklave der letzten Menschen, wie es scheint, in einer Welt postirgendeiner Katastrophe. Je mehr Fragen auftauchten á la "Was ist da passiert?", "Warum tun die das?", "Was bedeutet das?", je gespannter musste ich weiterlesen, weil mich einfach alles daran interessiert hat.

Diese letzten Menschen leben in ständiger Angst vor denjenigen, die sie die "Blassen" nennen. Die Blassen sind schreckliche Monster, die da draußen, in der Dunkelheit leben. Es gibt nämlich fast nur noch Dunkelheit, und alles innerhalb des Arclight wird ausgeleuchtet, jeder einzelne Zentimeter. Auch nur der Hauch von Dunkelheit ermöglicht den Blassen, in die geschlossene Welt der Menschen einzudringen und sie zu töten. Und das tun sie auf die grausamste Weise - wer von ihnen verletzt wird, wird selbst zu einem von ihnen, einem Monster, einem Dämon, etwas, das furchterregend ist. Nur das Ausbrennen der Wunden kann einen Menschen vor diesem Schicksal bewahren. Wer in die Dunkelheit geht, kehrt nicht zurück, kann die Begegnung mit den Blassen nicht überleben.

Es gibt eine Ausnahme: Marina. Marina hat ihr Gedächtnis verloren und weiß nicht mehr, was sie in der Dunkelheit getan hat. Sie weiß nur, dass ein Suchtrupp ihretwegen unterwegs war und die meisten von ihnen es nicht zurückgeschafft hat. Deshalb ist sie ein Außenseiter im Arclight; die meisten der hier Lebenden machen sie für den verschollenen Suchtrupp verantwortlich. Und als die Blassen anfangen, das Arclight zu überrennen und sich dabei auf sie konzentrieren, wird allen klar, dass Marina nicht nur die einzige Überlebende der Dunkelheit ist: Sie muss auch irgendetwas an sich haben, das die Blassen dazu verleitet, ihrer habhaft werden zu wollen.

Oh, was für ein tolles Buch. Ja, es ist verwirrend, gerade zu Anfang. Man bekommt immer nur häppchenweise ein paar Informationen vorgeworfen, nicht genug, um ausreichend zu verstehen, worum es geht oder was wirklich passiert ist, aber wie die goldene Möhre vor der Nase baumelnd immer dazu anstachelnd, mehr erfahren zu wollen.
Arclight hat mich mitgenommen auf einen Trip, hat eine Welt aufgebaut, bei der man irgendwann glaubte zu wissen, worum es geht und plötzlich - noch mal peng! - wird das Innere nach Außen gestülpt und man muss alles, was man sich mühsam erarbeitet hat, von Neuem bewerten.
Wer ist gut? Wer ist böse? Gibt es überhaupt solche Fragen, haben sie in dieser Postapokalypse eine Daseinsberechtigung? Wie human kann ein Mensch bleiben? Was ist wichtiger - Menschlichkeit oder Überleben? Und wer ist wirklich der Feind? Ist er nicht schon längst in uns?

Fazit: Arclight ist völlig ungeeignet für Leute, die Schema F suchen. Es gibt keine Städte, keine aufgebauschten Dreiecksbeziehungen, keine Kämpfe im klassischen Sinne gegen einen wohldefinierten Feind, auch wenn es an rasanten Actionszenen nicht mangelt. Was man dafür bekommt, ist eine intelligente, teilweise philosophisch angehauchte Dystopie, in der Humanismus in seiner reinsten Form präsentiert wird.