Rezension

Der Frühling war viel zu kurz

Wenn es Frühling wird in Wien
von Petra Hartlieb

Bewertet mit 4 Sternen

Marie, Tochter eines oberösterreichischen Almöhi-Bauerns, ist vor kurzem Kindermädchen bei DEN Schnitzlers in Wien geworden. Wir lernen sie in ihrem Alltag im Haushalt der Autorenfamilie kennen. Sie ist super anständig, die Kinder lieben sie, sie macht ihren Job perfekt. Und so erhält sie schließlich zu Weihnachten Eintrittskarten für das k. u. k. Hofburgtheater, wo ein Stück ihres Arbeitgebers aufgeführt wird. Und diese Gelegenheit nutzt sie direkt für eine Date mit dem jungen, charmanten Buchhändler Oskar. Beide waren noch nie im Hofburgtheater und sind hin und weg. Diese beiden sympathischen Protagonisten ziehen den Leser ins wunderschöne Wien der Jahrhundertwende und ihre feine Gesellschaft hinein.

Es könnte alles so schön sein, doch sind Marie und Oskar so gut wie mittellos und eine Verlobung kommt eher nicht in Frage. Und dann wollen Oskars Chef Herr Stock, der Buchladenbesitzer, und der Verlagsbuchhändler Herr Gold Oskar und die Tochter Golds, die emanzipierte Fanni, verkuppeln und verheiraten, um ein Buchhandelsimperium zu gründen. DOCH: Fanni steht nicht auf Männer und fährt bald mit dem größten Schiff allerzeiten nach Amerika!! So hat Oskar nur Augen für Marie, die er mit seiner Bücherliebe anstecken möchte.

Diese Romanze ist wunderschön und steht im Vordergrund. Die Figuren sind alle sympathisch, sehr herzlich, warm und zuvorkommend. Nur Olga Schnitzler wird als Anti-Figur dargestellt. Leider erfährt man als Leser recht wenig über den Autor Arthur Schnitzler. Er taucht manchmal auf, wirkt aber viel zu liberal gegenüber seinen Angestellten und Kindern. In seine Arbeit und seine Stücke erhalten wir nur wenig Einblick, einmal muss Marie sein Arbeitszimmer putzen, doch es ist auch nur ein normales, langweiliges Arbeitszimmer. Mit Telefon!

Die Autorin versucht typische Wiener Örtlichkeiten in ihre Geschichte einzubauen, das Hofburgtheater, die Oper, das Hotel Sacher, den Tiergarten Schönbrunn, mal wird der Stephansdom erwähnt, mal das Café Central. Jedoch wird nicht auf die Bedeutung dieser Treffpunkte (für Herrn Schnitzler z. B.) eingegangen. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass vielleicht ein wenig über das Stück oder die Schauspieler des Theaters geschrieben wird. Im Vordergrund steht jedoch dann doch nur die Euphorie beim Anblick dieses. Beschreibungen fehlen mir sehr. 

Typische Themen und Motive des Fin de siecle werden nur kurz erwähnt, dem unwissenden Leser wird es nur gar nicht auffallen. So z.B. das Kaffeehaus, das süße Madl (zu dem wohl das Dienstmädchen Sophie gehören kann), die Frauenbewegung (zu der wir Fanni als Befürworterin zählen können), die Bedeutung der Presse (Titanic, Sensationsgier der gelangweilten Gesellschaft), ... Und so bleibt das Buch historisch oberflächlich und geht nicht genug in die Tiefe.

Fazit: Frau Hartlieb hat eine wunderschöne, liebevolle, romantische, positive Liebesgeschichte in das Wien der Jahrhundertwende verpflanzt, die leise Frühlingsgefühle wecken. Auch die Bibliomanie wird herrlich dargestellt, die Liebe zu den Büchern, das Stöbern durch die Bücherkataloge und das genauste Auswählen für ein Buchgeschenk der Liebsten, etc. ist perfekt gelungen. Doch leider fehlen die historische Tiefe (ein paar Artikel zum Untergang der Titanic wurden recherchiert und über Buchhandlungen Anfang des 20. Jhs., was sehr positiv zu sehen ist) und ein Porträt des berühmten Autors Arthur Schnitzler fast vollständig. 

Und nachdem wir dieses recht schmale Bändchen gelesen haben, kommt es uns so vor, als hätten wir erst ein Kapitel gelesen und der letzte Satz ist wirklich unverschämt!! ;) Wann wird es nun richtig Frühling oder noch besser SOMMER?

 

 

Kommentare

Lu in Bookland kommentierte am 04. März 2018 um 11:37

Da stimme ich dir zu, meiner Meinung hätte das Buch auch gerne ein wenig länger sein können und dafür mehr Historisches beinhalten. Aber vielleicht kommt das ja noch in einem nächsten Teil :)

lesesafari kommentierte am 04. März 2018 um 23:22

Ja, dank unserer zahlreichen Tipps, können Sommer und Herbst nur noch besser werden! :)