Rezension

Der Funke sprang leider nicht über

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall - Domenico Dara

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
von Domenico Dara

Bewertet mit 2 Sternen

Süditalien 1969. Girifalco ist ein beschauliches Örtchen, dessen Idylle nur hin und wieder durch kleinere und größere Skandale getrübt wird. Hier lebt der namenlose Postbote und Protagonist des Romans, ein in sich gekehrter Einzelgänger mit einer Liebe für Zufälle, die er in einem Notizheft sammelt. Außerdem hat er es sich zur Angewohnheit gemacht, sämtliche Post des Ortes zu öffnen, abzuschreiben und zu archivieren. Und als sei das noch nicht schräg genug, beginnt er auch noch, sich in die Angelegenheiten seiner Mitmenschen einzumischen.

Gezeichnet ist die Hauptfigur des Romans als Alltagsphilosoph und Held im Stillen, jedoch konnte mich diese Sichtweise nicht überzeugen. Grundsätzlich verletzt der Postbote schon die höchste Maxime seines Berufes: das Briefgeheimnis. Als er, ein Mann ohne Frau und ohne Kinder, dann auch noch in die Liebes- und Familiendinge der anderen eingreift, war es bei mir mit dem Verständnis ganz vorbei. Woher nimmt dieser Mann sich das Recht heraus, zu entscheiden, was das Beste für jemanden ist? So verheimlicht er beispielsweise einer Frau aus dem Dorf den Tod ihres einzigen Sohnes und gaukelt ihr stattdessen vor, dieser sei für immer nach Argentinien ausgewandert und könne von dort aus nicht mehr schreiben. Ein anderes Mal schickt er einer verheirateten Frau einen versauten kleinen Brief, weil sie "so traurig ausgesehen" hat. Den Rest seiner Zeit verbringt unser Protagonist dann damit, sich ins Bett verheirateter Frauen zu wünschen oder einen Blick unter den Rock seiner Nachbarin zu erhaschen. 

Im Gegensatz zu seinem Eingreifen in die Leben anderer, ist er selbst unerträglich passiv, dabei wird er (warum auch immer) von einer reizenden jungen Frau verehrt, die ihm zwar gefällt, mit der er sich aber dennoch nicht anfreunden kann. Als seine große Liebe dann eines Tages ins Dorf zurückkehrt, malt er sich lange und detailliert aus, wie er sie empfangen wird, wie er sie umarmen und was er mit ihr sprechen wird. Am Ende geschieht nichts, was sich unser Postbote ebenfalls wieder schönredet. Zwar schafft er es tatsächlich, in einigen Fällen positiv einzugreifen, aber dabei handelt es sich dann entweder um die von ihm so geliebten Zufälle oder ein anderer wird für ihn aktiv. So zum Beispiel, als er erfährt, dass im Dorf eine Mülldeponie gebaut werden soll. Anstatt selbst tätig zu werden, stachelt er den Dorfkommunisten Ciccio il Rosso an, der schließlich die Betrüger mit Hilfe des restlichen Dorfes und unter Zuhilfenahme zahlreicher verschiedener Wurfgeschosse vertreibt.

Überhaupt lebt der Roman nur von den anderen Dorfbewohnern. Vor allem Ciccio ist eine grandiose Figur. Im Tausch für einen Arbeitsplatz für seinen Sohn soll er bei den diesjährigen Kommunalwahlen die von ihm so verhassten Christdemokraten wählen und so lässt er den Postboten einen Brief schreiben, in dem er seine Genossen um Erlaubnis bittet. Rührend ist auch die Geschichte des erblindeten Frauenhelden Pepe Mardente, der die Liebe seines Lebens für immer verloren hat. Oft fällt es jedoch schwer, die vielen unterschiedlichen Namen und Figuren zuzuordnen, das Verzeichnis am Ende des Romans hilft da leider nur bedingt weiter.

Fazit: Der Funke dies ach so philosophischen Romans ist leider nicht zu mir übergesprungen