Rezension

Der gelungene Auftakt einer besonderen, tiefgründigen Geschichte

Half Bad - Das Dunkle in mir, 2 MP3-CDs - Sally Green

HALF BAD 1. Das Dunkle in mir
von Sally Green

Lange überlegte ich, ob ich diese Reihe auch noch beginnen möchte. Die Neugier siegte und ich bin froh, dass ich Nathans Geschichte diese Chance gegeben habe. Gerade in diesem Genre gibt es seit einigen Jahren eine unglaubliche Flut an Büchern. Hier die Spreu vom Weizen zu trennen ist nicht immer einfach. Doch neben dem ausgefallenen Schreibstil und der tiefgründigen Geschichte, machen vor allem zwei Punkte "Half Bad" zu etwas Besonderem: Das Buch ist definitiv auch für Jungs geeignet und auch der Protagonist ist männlich.
 
Schon die ersten Minuten des Hörbuches konnten mich begeistern. Mit dem ersten Satz schafft Oliver Kube den Hörbuchhörer zu packen. Der Schreibstil ist zunächst gehetzt und knapp. Die Autorin Sally Green nimmt einen Teil, der etwa in der Mitte stattfindet, vorweg, bevor sie Nathans Geschichte von Beginn an erzählt.

"Da sind diese beiden Kinder, Jungen, die nebeneinander sitzen, eingekeilt zwischen den großen Armlehnen eines alten Sessels. Du bist der linke. Der andere Junge ist warm, wenn du dich an ihn lehnst. (...) Dann wachst du auf und weißt wieder, wo du bist." (S. 09)

Der Leser lernt Nathan als Jungen kennen. Er lebt zusammen mit seinem Bruder Arran und seinen beiden Schwestern Deborah und Jessica bei seiner Großmutter, die sie liebevoll großzieht. Die Mutter der Kinder ist tot. Ebenso wie Arrans, Deborahs und Jessicas Vater...der von Nathans Vater, dem mächtigsten schwarzen Hexer, ermordet wurde. Während Arran seinen kleinen Bruder über alles liebt, macht Jessica Nathan das Leben zur Hölle. Und auch sonst ist es leider eher die Seltenheit, dass Nathan toleriert oder akzeptiert wird. Denn als Halbcode, halb schwarzer Hexer / halb weißer Hexer, wird er von den meisten Menschen ignoriert, kontrolliert und verachtet. Er darf sich nicht frei bewegen und wird im Laufe der Jahre immer stärker eingeschränkt und beobachtet.

Nathans Geschichte erinnerte mich durchweg an Rassismus und "Rassentrennung". Dieses Thema in einem Jugend-Fantasyroman zu entdecken, überraschte mich. Die Idee finde sowohl originell als auch spannend. Zwangsläufig machte ich mir Gedanken, was "gut" oder "böse" bedeutet. Was ist "richtig" und was "falsch"? In wie weit werden wir durch unsere Gene beeinflusst? Findet eine Beeinflussung überhaupt statt oder bestimmen wir uns selbst? Dieses Thema ist in "Half Bad" perfekt umgesetzt.

Auch der Schreibstil von Sally Green ist etwas besonderes, denn das Buch ist zu Beginn in der zweiten Person geschrieben. Gezwungenermaßen sieht man sich als Hörer / Leser sofort selbst in Nathans Rolle. Für mich der perfekte Einstieg in die Geschichte. Relativ schnell wechselt Sally Green in die erste Person, doch auch hier ist der Schreibstil außergewöhnlich. Er ist sehr angenehm und flüssig zu lesen, zu Beginn jedoch gewöhnungsbedürftig. Er hat einen sehr hohen Wiedererkennungswert und das gefiel mir sehr gut.

Nathan als Protagonist war mir schnell sympathisch, ebenso wie Arran und die Großmutter. Auch sonst tauchen einige Charaktere auf: Die einen liebenswert, die anderen unsympathisch. Allesamt sind authentisch beschrieben, sodass ich sie mir gut vorstellen konnte. Besonders gut gefallen hat mir, dass sie sich nicht in Schubladen stecken liesen. In "Half Bad" gibt es kein einfaches "gut" und "böse". Schwarze Hexen sind nicht die Mörder, an die man im ersten Moment denken mag. Und weiße Hexen sind nicht die selbstlosen Heilerinnen, die man aus anderen Büchern kennt. Doch auch umdrehen kann man das Ganze nicht so einfach. Und genau das macht das Buch für mich so besonders.

Nicht nur Schreibstil, Protagonist und Handlung sind originell, auch der Aufbau hat etwas besonderes. Auf den ersten Seiten erfährt der Leser bereits, dass Nathan in Gefangenschaft lebt. Erst wenige Seiten später wird der Beginn seiner Geschichte erzählt. Und diese ist durchgehend spannend und mit einigen Höhepunkten, die sich durch das komplette Buch ziehen. Auch eine Liebesgeschichte beinhaltet "Half Bad", doch diese steht eher im Hintergrund.

Fazit: Eine originelle Geschichte, die ich jedem ans Herz legen möchte. "Half Bad" ist viel tiefgründiger, als man zunächst vermuten mag und setzt sich mit ernsten Themen, die wir auch ganz leicht auf uns und unsere Mitmenschen übertragen können auseinander. Ich hoffe sehr, dass auch die Folgebände noch übersetzt werden. Wenn nicht, werde ich diese Reihe auf jeden Fall auf englisch fortsetzen.