Rezension

Der Kampf aus dem Sucht-Sumpf

Nachtlichter
von Amy Liptrot

Bewertet mit 4 Sternen

Amy wächst auf den Orkney-Inseln auf, einer schottischen Inselgruppe, die in diesem Buch so herrlich vielfältig und anschaulich beschrieben wird, dass ich mir sogleich vorstellen konnte, direkt dort zu sein. Die einzelnen Beschreibungen vom Leben auf der Insel, von den Urgewalten die dort herrschen, von der bezaubernd ursprünglichen Landschaft sind überwiegend so bildlich und direkt beschreiben, dass mein persönliches Bild von Schottland noch weiter ausreifen konnte.
Nach ihrer Schul-/ und Jugendzeit zieht es Amy aufs Festland, direkt hinein in die Großstadt, wo das Leben nicht gegensätzlicher hätte sein können. Sie ertrinkt im Laufe der nächsten Jahre in einem Sud von Job-/Wohnungswechseln, Partys, körperlichem und seelischem Verfall durch Alkohol und anderer Drogen - und um sich aus diesem Sumpf wieder herauszuarbeiten, vollbringt Amy Liptrot u.a. dieses autobiographische Werk.
Die Autorin berichtet auf schonungslose und abrechnende Art und Weise von sich selbst. Sie scheut sich nicht, dem Leser auf berührende, offene Art ihr bisher schweres Leben zu erläutern; nimmt dabei kaum ein Blatt vor den Mund während sie von ihren Abstürzen berichtet, von den Gefühlen, die dabei ausgelöst werden. Amy berichtet vom Leben in ihrer Kindheit - gefangen auf einer Insel mit Eltern, die oftmals scheinbar ihr eigenes Leben kaum bewältigen können und sich dann mit ihren Kindern schwertun;  von der Flucht in die (erdrückende) Großstadt und dem dort beginnenden Abstieg in Alkohol-/Drogenexzessen, nächtelangen Party etc...
Ebenso wenig scheut sich die Autorin zu berichten, wie sie versucht aus diesem Sumpf wieder herauszufinden, wie sie versucht wieder Fuß in dieser Welt zu fassen ohne Drogen etc und wie schwer ihr dies fällt.
Hingebungsvoll offen und absolut ehrlich beschreibt sie ihren bisherigen Lebensweg, ohne dabei alles auf Wolke 7 zu setzen und schönzuschreiben - für mich als Leser kommen ganz klar immer wieder Momente, alles zu überdenken und nochmals zu lesen.

Der Schreibstil der Autorin ist trotz einiger anstrengender Phasen sehr locker zu lesen, auffällig ist, dass kaum Dialoge genutzt werden und alles eher einer Erzählung gleicht. Einzig die Wechsel aus Jetzt und Früher sind manchmal etwas zu schroff und unklar. Dagegen bieten die tollen Beschreibungen der Natur etc eine klare Vorstellung vom Leben auf einer rauhen, schottischen Insel.
Ich finde, diese Buch strotzt vor  Kummer, Leid, Scham - aber eben auch vor Mut: Mut, sich selbst so darstellen zu können; Mut sich und seine Sucht zu outen.
Dies Buch bekommt eindeutig eine Leseempfehlung - wobei man es unbedingt auch mehrfach lesen kann!