Rezension

Der Klang eines Echos ist unveränderbar

Das Leben, das wir begraben - Allen Eskens

Das Leben, das wir begraben
von Allen Eskens

Bewertet mit 5 Sternen

»Wenn das Schicksal mir damals wirklich ins Ohr geflüstert hätte - wenn ich gewusst hätte, dass dieser Besuch so viele Dinge ändern würde - hätte ich dann einen sichereren Weg gewählt? Wäre ich links abgebogen, wo ich rechts abgebogen bin?«

Der junge Student Joe Talbert soll für seinen Englischkurs eine Biografie eines anderen Menschen schreiben und schaut sich deshalb nach einem geeigneten Interviewpartner in einem nahegelegenen Pflegeheim um. So lernt er den im Sterben liegenden Carl Iverson, einen hochdekorierten Kriegsveteran, kennen. Doch Carl ist auch ein verurteilter Mörder und Vergewaltiger, der aufgrund seiner Krebserkrankung in das Pflegeheim überstellt wurde. Joe ist fasziniert von der Idee, die Geschichte Carls zu erzählen und dieser willigt ein, ihm Rede und Antwort zu stehen unter der Voraussetzung, dass Joe die reine Wahrheit schreibt und keinen reißerischen Text. Doch je tiefer Joe in Carls Vergangenheit eintaucht, desto mehr Zweifel hegt er an dessen Schuld. Als er dann auf Hinweise stößt, die auf einen anderen Täter schließen lassen, entwickelt Joe eine regelrechte Obsession, den Ruf des alten Mannes vor dessen Tod wiederherzustellen. Das Spiel, das er dabei entfesselt, ist allerdings nicht nur gefährlich, sondern auch tödlich.

Leseeindruck

"Das Leben, das wir begraben" (OT: The Life We Bury) ist der Debütroman des Bestsellerautors Allen Eskens. Dank dem Festa Verlag fand der Roman nun seinen Weg zu den deutschen Lesern. Aber auch die ungekürzte Hörbuchversion (Audible Studios) sei an dieser Stelle wärmstens zu empfehlen, da es von Oliver Erwin Schönfeld grandios eingesprochen wurde. Als Thriller deklariert, würde ich die Geschichte jedoch eher als fesselnden Spannungsroman bezeichnen.

Der Schreibstil ist flüssig und erzeugt eine atmosphärische Sogwirkung. Eskens versteht es hervorragend, die Gefühle mittels Worte zu vermitteln und schafft so eine große Nähe zu den Figuren. Diese sind ebenfalls sehr gut ausgearbeitet. Joe, unser Protagonist, kommt aus schwierigen Familienverhältnissen und ist gezeichnet von Schuldgefühlen. Dies wird zwar nach und nach näher beschrieben, dem Leser aber nie aufgezwungen oder gar als dramatischer Effekt ausgespielt. Vielmehr sind es wichtige Informationen, die den Protagonist in seiner Persönlichkeitsentwicklung erklären. Carls Lebensgeschichte wird in Teilen erzählt und ist ebenfalls sehr interessant. Überhaupt ist Carl ein vielschichtiger Charakter, den man als Leser zunächst nicht einordnen kann. Man ist - genau wie Joe und seine Freundin Lila - im widersprüchlichen Gefühlsnetz gefangen. Ist Carl ein Monster, ein Held oder etwas dazwischen? Die Antwort liefert Eskens am Ende des Buches aber bis dahin bleibt man im Ungewissen.

Und damit wären wir beim Spannungsbogen, der hier wirklich sehr gut durch die Geschichte trägt. Für mich gab es zu keiner Zeit Längen oder Einbrüche. Die Elemente der Erzählung sind sicher nicht neu aber der Autor hat sie gekonnt mit eigener Note in Szene gesetzt und mich als Leser in seinen Bann gezogen.

Minimale Kritik (wenn man das so nennen will) gibt es nur für ein paar für mich nicht nachvollziehbare Handlungen Joes, die ein wenig so wirkten als dienten sie der dramaturgischen Steigerung. Aber das tut dem insgesamt positiven und eindrücklichen Leseerlebnis keinerlei Abbruch.

Fazit

"Das Leben, das wir begraben" ist ein fesselnder, atmosphärischer Spannungsroman mit Sogwirkung, der mit einem flüssigen und eingängigen Schreibstil punktet und den Leser emotional packt. Sowohl gelesen als auch gehört, hinterlässt diese Geschichte einen bleibenden Eindruck und ist deshalb auch eine klare Lese-/Hörempfehlung meinerseits.