Rezension

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Der Krimi, der keiner sein will

Das Buch der Spiegel - E. O. Chirovici

Das Buch der Spiegel
von E. O. Chirovici

Bewertet mit 2.5 Sternen

Bisher habe ich folgendes immer geschafft zu umschiffen, nun aber: Vorsicht! Diese Rezension wird dem Nichtkenner des Buches durch Enthüllungen zum Inhalt möglicherweise das Lesevergnügen schmälern. Oder eben Neudeutsch: Spoileralarm!

Unter anderem aus Zeitgründen schreibe ich diese Rezension mit ordentlichem Abstand zum Lesen des Buches und weiß immer noch nicht recht, wie anzufangen. Vielleicht mit meiner fehlgeleiteten Erwartungshaltung zum Buch, deren Zustandekommen ich mir im Nachhinein nicht recht erklären kann. Ich habe jedenfalls weniger einen Krimi, als vielmehr eine fantastisch angehauchte Geschichte erwartet. Das Cover finde ich optisch sehr gelungen, die Verbindung zum Inhalt hat sich mir aber leider nicht erschlossen.

E. O. Chirovici ködert mich mit dem Klassiker für einen Buchliebhaber: ein unverlangt eingesandtes geheimnisvolles Manuskript, erst vergessen, dann verschlungen und an entscheidender Stelle endet es und lässt Literaturagenten wie Leser frustriert zurück. Es muss doch weitergehen, man will doch den Ausgang der Geschichte wissen. Noch habe ich an dieser Stelle die Erwartung, dass sich nun alles Richtung fantastisches Element entwickeln wird und muss stattdessen mit einem Perspektiv- und Erzählerwechsel klar kommen.

Die Geschichte bleibt auf dem Teppich ohne magische Elemente. Protagonist ist ein ehemaliger Princeton-Absolvent, der in den 80er Jahren studierte und eine merkwürdige Beziehung mit seiner Mitbewohnerin einging, die ihn den Kontakt zu einem Professor an der Uni vermittelte. Der Dreh- und Angelpunkt, das unerhörte Moment ist die Ermordung dieses Professors und sein unaufgeklärter Tod. Nun, 30 Jahre später setzt sich der damals in Mordverdacht stehende Student hin und schreibt diese ganze Geschichte auf, weil ihm plötzlich die Erkenntnis gekommen sein soll, wie sich alles wirklich abspielte. Er schickt die ersten 100 Seiten an eine Agentur und stirbt dann leider an Krebs. Das komplette Manuskript ist plötzlich unauffindbar und der verzweifelte Literaturagent setzt einen befreundeten, arbeitslosen Journalisten darauf an, die Geschehnisse von damals zu recherchieren und gegebenenfalls die Geschichte selbst zu Ende zu schreiben. Mitten in den Recherchen verliert der Journalist allerdings die Lust an der Story und der Fall findet durch einen dritten Erzähler seinen Abschluss, nämlich der damals ermittelnde Polizist, der, aufgewühlt durch die Recherchen des Journalisten, alle Details beginnt nochmals durchzugehen. Insgesamt kommt eine Vielzahl an Erzähler zu Wort, die jeweils ein kleines Stückchen zu der Geschichte beitragen. Eine durchaus interessante wie amüsante Variation des Erzählens. Diese täuscht allerdings nicht über den profanen Plot hinweg und den anmaßenden Titel. Der Anspruch des Autors ist es, so schreibt er selbst im Nachwort, nicht nur einfach den Fall aufzuklären, sondern die Beweggründe und die Entwicklung zum Geschehen darzustellen. Er will sich abheben vom klassischen Krimi, der mit einem Mord beginnt und über mehr oder weniger raffinierte Wege durch die Enthüllung des wahren Täters endet. „Warum wurde es getan?“ als Maßgabe des Schreibens und unter dem Aspekt, wie sehr wir auf unsere eigenen Erinnerungen vertrauen, die allerdings durchaus fehlbar sind. Der psychologische Ansatz zum Themenkomplex Erinnerung hat etwas sehr Interessantes für sich, leider kommt er bei Chirovici nicht in letzter Konsequenz zum Tragen und kann damit nicht vollständig überzeugen. Vielleicht bin ich auch einfach ein zu konventioneller Leser, aber meinem Empfinden nach, will der Autor mit diesem Roman zu viel und erreicht zu wenig. Figuren und Nebenschauplätze der jeweiligen Erzähler werden angedeutet, kurzzeitig in den Mittelpunkt gestellt und ohne Zusammenhang zur Grundhandlung wieder fallen gelassen. Das verwirrt mich als Leser, weil diese Zusammenhangslosigkeit bei mir schnell zu einem gewissen Gefühl der Gleichgültigkeit führt und zu einer oberflächlichen Lektüre des Buches im folgenden. Wenn nicht alles relevant ist, was erzählt wird, warum steht es dann zwischen den Buchdeckeln? Weniger ist mehr, eine schöne Plattitüde, die mir dazu einfällt und mit einem Achselzucken lege ich den Krimi, der keiner sein will, zur Seite.