Rezension

Der Kronprinz und das Mädchen

Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre -

Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre
von Marie Lacrosse

Bewertet mit 5 Sternen

1979-1889 Wien. Die junge Komtess Sophie von Werdenfels stammt aus gutem Hause, verbringt ihre Zeit aber lieber im Caféhaus Prinzess ihres bürgerlichen Onkels Stefan Danzer und das nicht nur, weil sie ihren Stiefvater nicht ausstehen kann, sondern weil sie sich dort wohl und geborgen fühlt. Mary Vetsera ist Sophies engste Freundin, die seit einiger Zeit für den verheirateten Kronprinzen Rudolf, Kaiserin Sissis Sohn, entflammt ist. Als Sophie im Café Prinzess die Bekanntschaft Richard von Löwensteins macht, einem engen Freund des Kronprinzen, werden die beiden bald nicht nur Verbündete gegen die fortschreitende Affäre zwischen Mary und Rudolf, sondern fühlen sich auch immer mehr zueinander hingezogen. Leider ist Richard in der unglücklichen Lage, dass er aufgrund von Geldproblemen einer arrangierten Ehe zustimmen musste, um seiner Familie den Untergang zu ersparen. Aber auch Sophie gerät durch Marys unmögliches Verhalten in große Schwierigkeiten…

Marie Lacrosse hat mit „Bewegte Jahre“ einen fulminanten Start zu ihrer historischen Trilogie rund um ein Wiener Kaffeehaus hingelegt. Die Autorin ist bekannt für ihre akribische Hintergrundrecherche, so bringt sie auch diesmal wieder belegbare geschichtliche Fakten rund um die „Mayerling-Affäre“ mit einer fiktiven Handlung zusammen, die sich nicht nur unterhaltsam lesen lässt, sondern wobei man auch noch Geschichte hautnah miterleben kann. Der flüssig, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil ist der damaligen Zeit wunderbar angepasst und nimmt den Leser schon mit dem Prolog in die Handlung hinein in die österreichische K. u. K. Zeit. Wechselnde Perspektiven geben dem Leser nicht nur einen guten Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt von Sophie, sondern lassen ihn auch über Richards Schulter schauen, wenn sich dieser mit Kronprinz Rudolf trifft, um sich über persönliche und politische Dinge auszutauschen. Das tragische Ende der Liaison zwischen Rudolf und Mary konnte leider trotzdem niemand verhindern. Lacrosse hat ein Talent, alte Zeiten wieder aufleben zu lassen, um dem Leser anschaulich die damaligen politischen und gesellschaftlichen Standpunkte zu verdeutlichen. Die farbenfrohen Beschreibungen lassen den Leser nicht nur pompöse Veranstaltungen miterleben, auch die geheimen Treffen von Mary und Rudolf sowie der Informationsaustausch zwischen Sophie und Richard im Caféhaus ziehen vor dem inneren Auge des Lesers vorbei. Während einem imaginär der Duft frisch aufgebrühter Kaffeespezialitäten um die Nase weht, wird dem Leser nebenbei auch noch so manche süßen Schmankerl vor Augen geführt, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Die oftmals erwähnte Mokkaprinzentorte ist eines davon. Der Spannungsbogen ist zu Beginn im Mittelfeld angesiedelt, schraubt sich aber mit jedem weiteren Kapitel in die Höhe.

Die Charaktere sprühen vor Leben und wirken mit ihren glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften sehr authentisch. Der Leser folgt ihnen gern bei ihren Erlebnissen, so manch einer stiehlt sich sogar ins Leserherz. Sophie ist eine liebenswerte, junge Frau, die nicht nur durch Hilfsbereitschaft, sondern auch mit Fürsorglichkeit glänzt. Richard ist dem Kronprinzen ein wahrer Freund, hat aber seine eigenen Finanzen nicht im Griff, was ihn alsbald in Schwierigkeiten bringt. Mary ist eine verzogene und intrigante Göre. Sie denkt nur an sich und schert sich nicht um andere. Marie Louise von Larisch ist nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht und weiß lange Zeit, ihre Karten auszuspielen. Kronprinz Rudolf leidet sein Lebtag unter einem lieblosen Elternhaus. Auch er legt einen Egoismus an den Tag, der nicht nur ihn das Leben kostet. Aber auch Sissi, Helena und weitere Protagonisten tragen mit ihren Auftritten zum farbenfrohen Sittengemälde der damaligen Zeit bei.

„Bewegte Jahre“ ist von Anfang bis Ende ein historischer Pageturner mit viel Spannung, Liebesreigen und vor allem miterlebbarer Historie, wie man sie nicht besser an den Leser bringen kann. Absolute Leseempfehlung – ausgezeichnet – Chapeau!