Rezension

Der letzte Spross

Der Lavendelgarten - Lucinda Riley

Der Lavendelgarten
von Lucinda Riley

Bewertet mit 4 Sternen

Emilies Mutter ist tot. Sie ist gestorben und Emilie kann kaum Trauer empfinden, denn sie wurde ein Leben lang von ihrer glamourösen Mutter ignoriert. Nun muss sich Emilie mit dem Vermächtnis ihrer adeligen Familie auseinandersetzen und es werden ihr bisher unausgesprochene Familiengeheimnisse offenbart.

Emilie ist die letzte de la Martinière. Sie ist der letzte Spross einer französischen Aristokratenfamilie und war immer um ein normales Leben bemüht, in dem sie ihre Herkunft verschleierte. Doch jetzt muss sie sich der Pariser Wohnung, dem Château in der Provence und der Büchersammlung ihres Vaters stellen, und taucht dabei unvermutet in ihre Familiengeschichte ein.

Diese Geschichte trägt ein Geheimnis in sich, das ihr Leben auf den Kopf stellt und wodurch ihr die Vergangenheit die Zukunft weist.

Emilie war mir anfangs sehr unsympathisch. Sie war naiv, unbeholfen und ich habe mich ernsthaft gefragt, wie es sein kann, dass eine Frau von Anfang 30 es nicht schafft, Verantwortung für ihre Entscheidungen zu übernehmen und gleichzeitig trotzdem mit beiden Beinen im Leben steht. Allerdings ist Emilie während der Geschehnisse gereift und hat sich zu einer starken Persönlichkeit entwickelt, mit der ich zu guter Letzt doch noch sympathisieren konnte.

Die Handlung ist in bekannter Riley-Manier in zwei Erzählstränge gegliedert.

Einerseits erlebt man Emilies Geschichte in der Gegenwart, die mir richtig gut gefallen hat und sehr spannend gestaltet ist. Ständig fragt man sich, wer hier welche Spielchen treibt und durch Emilies anfänglicher Naivität, spitzen sich einige Situationen zu, die mich beim Lesen richtig gepackt haben.

Andrerseits begegnet man der Engländerin Constance in der Vergangenheit. Dieser zweite Handlungsstrang ist während des 2. Weltkriegs in Frankreich angesiedelt und entführt in die Wirren unter der Naziherrschaft, lässt hinter die Kulissen der Resistance blicken und ist geschickt mit der Familie de la Martinière verwoben, sodass die Ereignisse von damals tatsächlich Emilies Zukunft prägen.

Tragende Thematik ist neben dem Schicksal dieser Familie die Lebenssituation von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, was mir auch gut gefallen hat. Die Autorin zeigt, wie sehr man dazu neigt, andere zu bevormunden, weil sie körperlich nicht der Norm entsprechen, und dass sogar, obwohl diese Einmischungen weder notwendig noch gewünscht sind.

Im letzten Abschnitt ist es mir dann etwas zu schnell gegangen. Der Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart wurde Schlag auf Schlag gespannt, dafür wurde ich aber mit einem Wohlfühlende belohnt, mit dem ich so - zumindest teilweise - nicht gerechnet hätte.

Insgesamt ist es eine wunderbare Familiengeschichte aus Rileys Feder. Vergangenheit und Gegenwart gehen eine zukunftsweisende Melange ein, die undurchschaubaren Verstrickungen treiben die Spannung an und zu guter Letzt bleibt der Leser - trotz schauriger Offenbarungen - mit einem zufriedenen Lächeln zurück. 

© NiWa