Rezension

Der Markt bestimmt?

Der Store - Rob Hart

Der Store
von Rob Hart

Bewertet mit 4 Sternen

In seinem Roman »Der Store« (OT: The Warehouse) zeichnet Rob Hart eine beängstigende Zukunftsversion. Die Umwelt wurde durch den Klimawandel zerstört, ganze Innenstädte sind ausgestorben, ein Leben außerhalb klimatisierter Anlagen ist kaum noch möglich. Der Wirtschaftsgigant »Cloud«, ein Online-Versandhaus, hat die Monopolstellung inne und versorgt die Menschen mit Hilfe von Drohnen schnell und effizient mit allem, was gebraucht und gewünscht ist. Damit dies alles möglich ist, arbeiten Mitarbeiter rund um die Uhr in cloudeigenen Städten. Ihre Tätigkeiten, vor allem aber ihre Leistung wird getracked und mittels eines Rankings bewertet. Wer zu langsam ist, ist nicht wirtschaftlich und muss gehen.

"Ich wollte ein Buch schreiben, das das Thema 'übermächtige Regierungen' aufgreift. Jeder fürchtet sich vor einem Kontroll-Staat wie in George Orwells '1984'. Aber ich denke, dass die Übermacht der Wirtschaft in Wirklichkeit immer mehr zum Problem wird." (Zitat: Rob Hart)

Cloud erinnert – ob gewollt oder nicht – an Amazon, ein Gedanke, der mich während der Lektüre natürlich nicht losgelassen hat. Vieles, was hier beschrieben wird, existiert bereits so oder in ähnlicher Form. Macht man sich das erst einmal bewusst, schwingt ein mulmiges Gefühl beim Lesen mit, das einen nicht mehr loslässt. Hart weiß zu fesseln und auch zu schockieren und im Nachhinein betrachtet ist es fast schon eine Farce, dass ich ausgerechnet diesen Roman auf meinem Amazon Kindle gelesen habe.

Seine Protagonisten sind Paxton, dessen eigenes junges Unternehmen durch Cloud zerstört wurde; Zinnia arbeitet in der Wirtschaftsspionage und lässt sich beim Giganten Cloud einschleusen. Und zu guter Letzt kommt auch Gibson Wells, der Gründer von Cloud selbst zu Wort. Er ist charismatisch und äußerst einnehmend, nimmt sich selbst dabei augenscheinlich gar nicht so wichtig und wirkt recht gönnerhaft. Ein wahrer Heilsbringer oder doch alles nur Fassade? Sein Leben – ein Musterbeispiel für Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen. Ein Mann, der bereits als Kind erkannt hat, dass man an sich selbst und seine Ideen glauben und sie in aller Konsequenz verfolgen muss. Viele seiner Argumente für Cloud klingen plausibel: Die langfristigen Ziele für die Umwelt und das Klima, Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, Bewertung nach messbarer Leistung, Effizienz und Wirtschaftlichkeit – alles macht irgendwie Sinn. Doch zu welchem Preis?

»Denk daran, die Freiheit gehört dir, bis du sie aufgibst.«

Ist ein fremdbestimmtes Leben denn noch menschenwürdig und überhaupt lebenswert? Und wenn doch der Markt bestimmt, sind es nicht wir – die Käufer, die den Markt darstellen? Wo hört Wirtschaftlichkeit auf und fängt Ausbeutung an? Welchen Preis zahlen wir (oder andere) für Bequemlichkeit und ständige Verfügbarkeit? Wichtige Fragen, die dieser Roman aufwirft, die Antworten darauf überlässt Hart dem Leser selbst und bleibt damit dem Grundsatz der Selbstbestimmung treu. Das gefällt.

Der Fokus der Geschichte, nämlich die Misstände bei Cloud an den öffentlichen Pranger zu stellen, scheint sich mit fortschreitender Seitenzahl ein wenig zu verlieren, was einen bitteren Beigeschmack bei mir hinterlässt. Es erging mir ähnlich wie Paxton. Auch er verliert sein ursprüngliches Ziel augenscheinlich aus den Augen, ist gefangen im leistungsorientierten, eintönigen Hamsterrad von Cloud. Er wird so zum Opfer der Manipulation. Zinnia hingegen verfolgt ihren Plan zwar weiterhin, allerdings nicht stringent. Sie kann sich nicht gegen ihre eigenen Gefühle (das Menschsein) wehren, was nicht ohne Konsequenzen bleibt. Grenzen und Ziele verblassen und einige Fragen bleiben ungeklärt. An sich nicht schlimm aber eben auch irgendwie unbefriedigend.

Fazit

Eine düstere Anti-Utopie, die aufrüttelt und nachdenklich stimmt, sich flüssig liest und zu fesseln weiß aber sich im Verlauf auch leider größtenteils in 0815-Thrillereffekten verliert.