Rezension

Der Mutanten-Roman "Coldworth City" – ein Versuch

Coldworth City - Mona Kasten

Coldworth City
von Mona Kasten

Mona Kasten, berühmt für ihre Jugend-Fantasy-Reihen, versucht sich dieses Mal an dem Mutanten-Genre und liefert besten Falls einen nicht durchdachten Versuch – im schlechtestes jedoch eine müde Kopie aus Versatzstücken der "X-Men"-Filme.

Coldworth City wurde bereits vorab mit X-Men, Supernatural und Marvel – Filmen und Serien also, die auf eine recht große Fangemeinde und Beliebtheit, vor allem aber auf ganz individuelle Erkennungsmerkmale verweisen – verglichen und beworben. Das mag die Messlatte erschreckend hochgelegt und der Autorin garantiert keinen Gefallen getan haben. Doch worum geht es eigentlich?
Protagonistin Raven ist nicht nur eine Mutantin, sondern eine PSI – eine besondere Mutantin, die in der Lage ist, mehrere Kräfte von unermesslichem Ausmaß zu beherrschen. Das macht sie allerdings nicht nur besonders, sondern auch gefährlich. Nach einem schrecklichen Vorfall wird die AID, die Advanced Interference Defence, auf sie aufmerksam und bietet Raven an, sie zusammen mit ihrem Bruder Knox in ihrer Forschungseinrichtung unterzubringen und sie von ihrer Kraft zu heilen. Doch schnell müssen die Geschwister erkennen, dass diese „Heilung“ nur durch schmerzhafte Experimente möglich ist und als auch Knox zum Versuchskaninchen gemacht werden soll, fliehen sie. Ab diesem Zeitpunkt befinden sich die beiden auf der Flucht: Immer wieder neue Namen, neues Aussehen, neue Wohnung, neuer Job – drei Jahre lang. Das Leben ist schwer und einsam, doch die beiden haben sich und das ist alles was zählt. Und doch wird Raven ständig von der Angst geplagt, dass ihre Kraft sie enttarnen oder schlimmer noch, Knox in Gefahr bringen könnte. Um von der aufgestauten Kraft nicht verzehrt zu werden, jagt sie nachts Verbrecher – bis der Untergrund sie dabei beobachtet. Eines Tages steht Wade, ein Mitglied, bei ihr in der Bar und bietet ihr an, dem Untergrund beizutreten, das Leben der Flucht hinter sich zu lassen und den Kampf gegen die AID, die nur vordergründig humanitäre Absichten verfolgt, eigentlich aber unmenschlich gegen Mutanten vorgeht, aufzunehmen.
Das ist es, was der Leser im ersten Drittel des Romans lediglich durch Erzählungen der Protagonistin erfährt. Die eigentliche Romanhandlung setzt mit dem Auftauchen Wades ein, der Rest wird nur nachgetragen. Und das ist auch gar nicht anders möglich, denn der Roman umfasst lediglich rund 300 Seiten, viel zu wenig Raum, um auch noch Ravens und Knoxʼ Vergangenheit zu erzählen, obwohl diese für das Verständnis der Charaktere sicherlich zuträglich gewesen wäre. Ziemlich schnell sind Raven und Knox dann auch schon Mitglieder des Untergrunds auf Probe (und das, obwohl die letzte Organisation sich doch als so große Gefahr entpuppt hat), dem sich das zweite Drittel widmet. Man lernt rund 20 der 150 Mitglieder kennen, erhält Einblicke in das neue Leben der beiden Geschwister – aber eben nur blitzlichtartig, denn bei knapp 100 pro „Handlungsabschnitten“ ist Tiefe auch gar nicht möglich. Und so ist das letzte Drittel (wie sollte es auch anders sein) schon der große Showdown, der über das Schicksal der Menschheit entscheidet.
In der Kürze liegt ja bekanntlich manchmal die Würze, bei so einem Setting allerdings wären ein paar Längen gar nicht verkehrt gewesen, um den ganzen Figuren auch ein wenig Entfaltung zu ermöglichen. So bleiben sie, angefangen vom Fahrer über den Superschurken bis hin zu den Protagonisten, mehr nur ein Schatten dessen, was sie hätten sein sollen. – Ebenso wie die Story kaum vor selbstständige Kreativität der Autorin strotzt, d.h. wenig Individualität geschweige denn Originalität besitzt. An vielen Stellen sieht sich der Leser sofort an X-Men erinnert. Viele Strecken der Handlung wirken unausgereift und sprunghaft, viel zu konstruiert und schlicht unlogisch. Häufig fragt man sich als Leser: Und das war’s jetzt schon?, vor allem in Bezug auf die Begegnungen des Untergrunds mit der AID. Und am Ende kann man sich nicht ganz dem Verdacht erwehren, dass der Roman als Lückenbüßer dienen musste, bis endlich die Save Me, der erste Band von Mona Kastens neuer Reihe, erscheint.

Das Fazit lautet von daher: Schade! Ein tolles Thema mit Potential, auch wenn die Kernhandlung nicht gerade die Erfindung des Rades ist – aber sein wir doch einmal ehrlich: welche Romanidee kann das überhaupt noch von sich behaupten? –, das leider völlig ungenutzt blieb.