Rezension

Der neugeborene Greis

The Curious Case of Benjamin Button and Other Stories, Der seltsame Fall des Benjamin Button und andere Erzählungen -

The Curious Case of Benjamin Button and Other Stories, Der seltsame Fall des Benjamin Button und andere Erzählungen
von F. Scott Fitzgerald

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt: Mr. Roger Button möchte zum ersten Mal sein Neugeborenes im Krankenhaus besuchen. Doch die Ärzte und Schwestern reagieren ungehalten auf dieses Anliegen; im besten Fall „nur“ furchtsam, ansonsten mit Verwünschungen. Keiner sagt ihm, was mit seinem Kind ist. Als er endlich die Säuglingsstation betritt, macht das Verhalten der Mediziner plötzlich Sinn: Im Säuglingsbettchen liegt kein kleines Kind, sondern ein ausgewachsener Greis, der sich weigert, mit einem Fläschchen gefüttert zu werden. Damit ist die Seltsamkeit des Falls aber noch nicht erschöpft: Je mehr Zeit vergeht, desto jünger wird der Greis, der den Namen „Benjamin“ erhält.

Persönliche Meinung: „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ ist eine Kurzgeschichte des amerikanischen Schriftstellers F. Scott Fitzgerald und umfasst knapp 60 Seiten. Erzählt wird sie von einem unbekannten auktorialen Erzähler, der das Publikum mehrmals direkt anspricht. Er berichtet ironisch-humorvoll und eher distanziert-nüchtern über das Geschehen. Die Erzählung behandelt das Leben Benjamins eher schematisch, wie der Name schon sagt, als „Fall“, sodass emotionale Innensichten der Figuren weitgehend fehlen. Generell kommt es während der Erzählung häufig zu grotesk-lustigen Szenen: So, wenn sich Benjamin als Greis darüber empört, ein Fläschchen bekommen zu haben. Oder Freunde der Familie das Kompliment äußern, Benjamin sehe seinem Großvater sehr ähnlich, der die Ähnlichkeit zu seinem Enkel allerdings brüsk zurückweist. Besonders der Beginn ist trotz seines Witzes bei genauerer Betrachtung tieftraurig: Gerade in dieser Zeit ist der greise Benjamin immer fehl am Platze, nirgendwo zugehörig. Dieser Aspekt tritt in der Zeit, in der Benjamins Körper der eines 50-20-Jährigen ist, etwas zurück. Je jünger er aber wird, desto stärker kommt auch die Tragik zurück. Ähnlich einer Demenz verliert sich der alte Mann im Körper eines Säuglings. Insgesamt ist „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ eine kurzweilige Lektüre, die einen ironisch-tragischen Ton anschlägt. Mich hätte es allerdings nicht gestört, hätte Fitzgerald einzelne Aspekte noch breiter erzählt, sodass die Kurzgeschichte eher zu einem Roman hätte tendieren können.