Rezension

Der Roman zur Corona-Krise

Der Wal und das Ende der Welt - John Ironmonger

Der Wal und das Ende der Welt
von John Ironmonger

Bewertet mit 4 Sternen

Ironmonger entwirft im Verlauf seines Romans das Szenario einer umfassenden Krise, ausgelöst durch Probleme bei der Ölversorgung und eine Grippeepidemie, die Millionen Tote weltweit zur Folge hat; bei allen Unterschieden zur heutigen Situation mit Corona sind die Parallelen teils verblüffend - wobei der Roman 2015 in Großbritannien erschienen ist.

Doch zur Handlung: Ironmonger erzählt die Geschichte des Bankanalysten Joe Haak, der seine Arbeitsstelle in London fluchtartig verlässt, mit dem Auto in das kleine Fischerdorf St Piran in Cornwall fährt, dort ins Meer hinausschwimmt und schließlich halbtot am Strand angeschwemmt wird. Dort wird er von Bewohnern des Dorfs gerettet, sorgt dann selbst für die Rettung eines gestrandeten Wals, ahnt (aufgrund eines Computerprogramms) die kommende Krise voraus und tut alles, damit die Menschen im Dorf alles überstehen können.

Joe Haak wie auch die Dörfler wachsen einem in der Schilderung Ironmongers durchaus ans Herz, ebenso die Leute aus der Londoner Bank, von denen auf einer zweiten Ebene der Erzählung berichtet wird. Einander gegenüber stehen, letztlich, die Dorbewohnerinnen und -bewohner, inklusive Joe, die Miteinander und Gemeinschaft vertreten, und die Welt der Bank, die den Menschen als grundlegend egoistisch motiviert ansieht und entsprechend handelt. Gegen Ende erkennt der Oberbanker, dass der Egoismus keineswegs der einzige menschliche Antrieb ist und Humanität in Berechnungen bezüglich der Zukunft einzubeziehen ist - oh Wunder! Dies war für mich die einzige deutliche Schwäche des Romans - dass das Selbstverständliche (so, wie ich das Buch gelesen habe) auf einmal als tolle Erkenntnis daherkommt. Aber so dumm, den Egoismus als wichtigsten menschlichen Antrieb anzusehen - können nur Banker, Ökonomen und neoliberale Politiker sein?

Wie auch immer: Ich habe das Buch sehr gerne gelesen; der Autor schafft ein kleines Universum von Menschen, in dem sich der Leser gerne bewegt. Und die Aktualität, die das Buch durch die Corona-Krise heute gewonnen hat, die Anklänge an heute, sind teils schon frappierend.