Der Schrebergarten im wiedervereinten Deutschland
Bewertet mit 3.5 Sternen
Eine namenlose Icherzählerin will ein Gartenbuch schreiben. Das scheint keine zündende Idee zu sein für die Tochter einer erfahrenen Gärtnerin, die selbst neben ihren Rollen als Mutter und Liebhaberin im Garten eher wie der Typ Sponti wirkt. Wer geglaubt hat, das Thema Garten wäre politisch und weltanschaulich neutral, sieht sich bei Lola Randl getäuscht. In kurzen, auf leichte Sprache getrimmten Abschnitten folgt auf den Gartenbuch-Beschluss der Ablauf eines Gartenjahres in der brandenburgischen Provinz. Neben dem, was Leser von einem Gartenbuch erwarten würden (Pflanzen, Ernten, dein Feind, der Maulwurf) geht es u. a. um eine Mutter-Tochter-Beziehung im wiedervereinten Deutschland, um undurchsichtige Modelle von Partnerschaft (eine Frau und „der Mann“,“ der Liebhaber“ und „der Therapeut“ mit sexuellen Absichten), um Fremde (hier Japaner), die die Wirtschaft ankurbeln, aber eben fremd aussehen, um Alter und Krankheit im Zeitalter von Landflucht und abgehängten Regionen – und unübersehbar um DDR-Geschichte und Ostalgie. Hätte der DDR-Staat seinen Bürgern mit Selbstversorger-Gärten ein umfangreicheres Sortiment an Sämereien beschafft, wäre vielleicht alles anders gekommen …
Bücher können mir nicht lang genug sein; ich mag keine Kurztexte. Bei Lola Randls Anekdotensammlung hat sich meine Kleingärtner-Seele gewünscht, die Kapitel wären auf Karteikarten gedruckt und ich könnte sie mir kurz neu nach Themen sortieren. Erst alles über Regenwürmer und Co lesen, dann über die Dorfbewohner und schließlich über das Schicksal des ehemaligen Schlosses/Gutes/Wieauchimmer, das vom ehemals properen Arbeitsplatz für Knechte und Mägde absteigt zum Erziehungsheim und bis zum Groschengrab als Abschreibungsobjekt sinken könnte. Wie dicht Lola Randl das gar nicht so neutrale Thema Garten mit sozialen Problemen des wiedervereinten Deutschland verknüpft, hat mich beeindruckt. Ich hasse kurze Texte, hatte ich ja oben schon geschrieben …
Kommentare
wandagreen kommentierte am 06. September 2019 um 10:49
Man muss sich hineinfallen lassen. Ich fand es wunderbar vergnüglich. Sie hieß Ruth - oder nicht?