Rezension

Der Sprung ins Leben

Der Sprung
von Simone Lappert

Bewertet mit 4 Sternen

Meine Meinung und Inhalt

Simone Lappert, geboren 1985 in Aarau in der Schweiz, studierte am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. 2014 erschien ihr Debütroman ›Wurfschatten‹. Sie lebt und arbeitet in Basel und Zürich.

 „Bevor sie springt, spürt sie das kühle Metall der Dachkante unter den Füßen. Eigentlich springt sie nicht, sie macht einen Schritt ins Leere, setzt den Fuß in die Luft und lässt sich fallen, mit offenen Augen lässt sie sich fallen, will alles sehen und auf dem Weg nach unten, alles sehen und hören und fühlen und riechen, denn sie wird nur einmal so fallen, und sie will, dass es sich lohnt…“ (ZITAT)

Dienstagmorgen in einer mittelgroßen Stadt. Manu, eine junge Frau in Gärtnerkleidung, steht auf dem Dach eines Mietshauses. Sie brüllt, tobt, wirft Gegenstände hinunter, vor die Füße der zahlreichen Schaulustigen, der Presse, der Feuerwehr.

Die Polizei geht von einem Suizidversuch aus. Einen Tag und eine Nacht lang hält die Stadt den Atem an.

Als Leser fragt man sich, warum sie das tut. Was ist passiert. Man überlegt, was zwischen der vorher geschilderten Geschichte von Manu und dem Vorfall passiert ist.

„So recht konnte er nicht glauben, dass er das gerade gemacht hate, zum Glück konnte niemand ihn sehen. Dass diese Stadt, die er doch eigentlich verlassen wollte, ihn noch überraschte mit einer Frau, die ihn dazu brachte, um acht in der Früh Plastikzahnputzbecher durch die Wohnung zu werfen, nur um ein paar Minuten mehr mit ihr zu haben, damit hatte er nicht gerechnet.“ (ZITAT)

Für Finn, den Fahrradkurier, der sich erst vor kurzem in Manu verliebt hat, bleibt die Zeit stehen. Genau wie für ihre Schwester Astrid, die mitten im Wahlkampf steckt. Den Polizisten Felix, der Manu vom Dach holen soll. Die Schneiderin Maren, die nicht mehr in ihre Wohnung zurückkann. Für sie und sechs andere Menschen, deren Lebenslinien sich mit der von Manu kreuzen, ist danach nichts mehr wie zuvor.

„Es kam ihr vor, als wäre jeder Kilometer, den er auf dem Hometrainer zurücklegte, ein Kilometer Abstand zwischen ihnen, als wäre er weit weg auf Reisen, selbst wenn er mit ihr am Tisch saß, …“ (ZITAT)

In dem Buch kamen wirklich sehr viele Charaktere vor. Sehr unterschiedliche, die im Buch aufeinanderprallen, sodass man sich sehr konzentrieren musste, um den Überblick zu bewahren.

„Wenn ein Ort sich veränderte, veränderten sich zuerst die Geräusche. Wie die meisten Dinge, dachte Egon, kann man Veränderung hören, bevor man sie sieht.“ (ZITAT)

Zu Beginn war ich etwas skeptisch, in welche Richtung Lappert uns die Protagonisten näher bringen will. Es sind nur kurze Kapitel der unterschiedlichen Protagonisten, ohne enorme Aussagekraft – vielmehr plätschert es vor sich hin. Wieder ein neuer Charakter, teilweise mit Wiederholung. Nichtsdestotrotz ist dieser Roman mit so viel Leben gefüllt, dass er nicht nur über eine  eigenwillige Frau berichten will, sondern über die vielen Schicksale, an denen wir voreingenommen oder nichtsahnend vorübergehen.

Am Ende brechen einige Menschen auf, andere zusammen. Manche teilen ihre Geheimnisse, manche behalten sie für sich. Dem einen winkt das Glück, dem anderen die Unsicherheit. Und alles herum scheint verflochten. Ein wirklich gutes Buch, das mich jedoch - augrund der oben genannten Gründe - nicht komplett überzeugen konnte.