Rezension

Der Teufel geht um, macht euch bereit für den Kampf

Teufelsbrut - Kirsten Klein

Teufelsbrut
von Kirsten Klein

Wir schreiben das Jahr 1669 in der fiktiven Kleinstadt Bärenbrück in der Nähe der württembergischen Universitätsstadt Tübingen gelegen. Es herrscht Frieden in der Stadt am Rand eines gefahrenreichen Waldgebietes. Die Einwohner von Bärenbrück sind Handwerker und Landwirte. Es ist keine wohlhabende Gegend, in der das kleine Städtchen gelegen ist. Der Vertreter Gottes auf Erden – Pfarrer Lammer – der Vogt, der Apotheker und der Bürgermeister stellen das wohlhabende und einflussreiche Bürgertum der Stadt.

 

Seit einiger Zeit gibt es eine Aufforderung der evangelischen Kirche. Die Eltern von Bärenbrück sollen ihre Kinder in die Schule schicken, damit sie zu gläubigen, moralisch guten und wohlerzogenen Christen werden, die den Katechismus des evangelischen Christentums auswendig vortragen können. Denn wie schon Jahrzehnte gar Jahrhunderte zuvor, geht die Angst um, der Teufel könnte der unmündigen, unwissenden und manipulierbaren Kinder habhaft werden.

Im Frühjahr des Jahres 1669 nimmt ein unglaublicher „Kampf“ in einem jahrhundertelangen Krieg seinen Anfang, und macht Bärenbrück zu einem Schauplatz besonderer Art. Der Teufel beginnt in den Augen der Stadtoberen die Kinder in den Höllenschlund zu ziehen. Die „Angst“ und „Furcht“ der Bewohner des Städtchens vor dem Teufel – von den Kirchen seit dem Mittelalter verbreitet - greift nach und nach um sich. Der „Krieg“ gegen den teuflischen Gegner beginnt einen neuen Feldzug, und macht Bärenbrück zu seinem Schauplatz.

Ein kleines Mädchen – Marie, fünf Jahre – ist der Auslöser. Marie ist ein aufgewecktes, an ihrer Umwelt interessiertes, selbstbewusstes Mädchen, das sich nach Aufmerksamkeit sehnt, mutig sein möchte. Stolz erzählt die Halbwaise von ihren Erlebnissen mit dem Teufel. Sie berichtet von unzüchtigen, unmoralischen Feiern mit dem Teufel. Das Kind, dass sich keiner Schuld bewusst ist, verbreitet diese Geschichten ihrer nächtlichen Zusammenkünfte mit dem Teufel. Bis es an die Ohren des Pfarrers herangetragen wird.

Pfarrer, Bürgermeister, Vogt und Apotheker nehmen den Kampf gegen den Teufel umgehend auf. Was dann passiert mit diesem Ort zeigt der Historische Roman „Teufelsbrut“ auf eine erschreckende Art und Weise, die dem Leser ein Stück Zeitgeschichte der Neuzeit eindrücklich und nachhaltig nahebringt.

 

Meinung:

... Schnell war ich als Leser mittendrin in Bärenbrück

Was danach, passiert mit dem Ort:

Die Ängste vor dem schrecklichen, nicht greifbaren Unbekannten verwandeln Bärenbrück in eine Überwachungsgesellschaft, der Kampf gegen den Teufel verändert die Menschen. Von nun an beobachtet jeder seinen Nachbarn sehr genau. Sogar innerhalb von Familien treibt Angst und Furcht ein Familienmitglied könnte mit dem Teufel im Bunde stehen, die Menschen zu unbegründeten Schuldzuweisungen der eigenen Familienmitglieder. Die Menschen handeln aus kirchlich verbreiteter Unsicherheit und Unwissenheit, aus der Ur-menschlichen Angst gegenüber dem Unbekannten, dem Unerklärlichen: Bevor mich ein anderer anschwärzt, mache ich das lieber schnell selbst, und beschuldige mein Gegenüber der Buhlschaft mit dem Teufel.

Ein geschichtliches Phänomen, welches den meisten Lesern zumindest durch den Geschichtsunterricht bekannt ist. Durch die Autorin Silke Klein bekommt der Leser exemplarisch am Beispiel dieses Ortes einen vorstellbaren gar einen eindringlichen Einblick in deutsche Geschichte zu Beginn der Aufklärung. Die beschriebene Geschichte ist für mich so bedrückend, dass ich vieles als eine realistische Fiktion aufgrund geschichtlicher verbriefter Tatsachen erkenne. Dies ist auch so. Die Autorin hat den geschichtlichen Zusammenhang mit Dokumenten dieser Zeit auf Nachfrage bestätigt.

Die Macht der Aufklärung hat in diesem Teil des Landes noch keinen Einfluss. Immer noch glauben die Menschen das Aussehen (Buckel auf dem Rücken), Schreie und wirres Gerede während einer alptraumhaften Nacht oder im Fieber sind Zeichen für den teuflischen Einfluss auf einen Menschen. Und wenn ein Kind wie Marie von ihrem nächtlichen Tanz berichtet, dann muss gehandelt werden... Herauszufinden, warum sich dieses kleine Mädchen so hervortut, Aufmerksamkeit sucht, dafür sind die wenigsten einflussreichen Persönlichkeiten im Stande.

Bärenbrück ist ein Sinnbild für viele hunderte andere bäuerlich- arme Gegenden im ausgehenden 17. Jahrhundert, in denen die kirchliche Vorherrschaft jedem Menschen die eigene Unzulänglichkeit dem Teufel zu widerstehen vor Augen führt. Der Teufel hat viele Gesichter, der Pfarrer kennt sie alle, er verbreitet sie, deutet sie im Verhalten seiner schwarzen Schafe. Pfarrer Lammer ist in dieser bäuerlich-armen Gesellschaft der Arm Gottes auf Erden. Alleine der Kirchenvertreter entscheidet über Gut und Böse, denn er ist allmächtig und allwissend, und war noch nie sündhaft. Ich kann mir gut vorstellen und nachvollziehen, warum die Menschen unter diesen Lebensumständen sowie den Furcht und Angst verbreitenden Glaubensregeln auf ein Anderssein oder ein augenscheinlich unmoralisches, verwerfliches Verhalten mit dieser Macht reagieren. Denn gezeigte Freude ist hier auch meist unangemessen.

Sprache und Aufbau des Buches:

Ich bin schon nach wenigen Seiten mittendrin im Geschehen in Bärenbrück gewesen. Der Historische Roman lässt sich gut und flüssig lesen. Ich konnte der Geschichte gut folgen und war von den intensiven Geschehnissen gebannt. Das Verfassen des Romans in für mich als sprachwissenschaftlichen Laien „altdeutscher Sprache“ gefällt mir sehr gut, und macht die beschrieben Handlung und die Protagonisten auch authentischer. Die (zeitgemäße) Sprache hat mir die Möglichkeit gegeben durch die Zeit zu reisen. Einigen Lesern wird dies erst einmal den Einstieg in die Geschichte erschweren. Nichts desto trotz, die Sprache von Kirsten Klein lässt dem Leser das Beschriebene bildhaft vorstellen.

Ich muss sagen, oft sind die Worte Kirsten Kleins, betrachtet man sie eingebettet in die Umstände des Lebens in Bärenbrück, von einer traurigen Poesie. Die Worte, die Klein ihren Protagonisten in den Mund legt oder die sich in die Gedanken der Protagonisten „einschleichen“, sind auch emotional, auf eine mitfühlende, empathische, beschreibende Art und Weise. Alleine Mimik- und Gestik- Beschreibungen transportieren sehr viele Zwischentöne, die den Leser nicht unbeteiligt in seinem Fühlen und Denken lassen. Ich finde man kann durch die Beschreibungen/Erzählungen der Autorin sehr viel über die häuslichen, beruflichen und schulischen Umstände erfahren. Auch das Stadtbild erhebt sich – (kennt man bereits andere mittelalterliche Städte) – vor dem inneren Auge des Lesers.

Verbesserungsvorschläge:

Am Ende des ebooks befindet sich ein Personenregister. Die Autorin überlegt schon dieses zu Beginn der Geschichte in das digitale Buch einzufügen. Eine (fiktive) Straßenkarte der Stadt und der Umgebung von Bärenbrück hätte die spannende Geschichte dem Leser noch besser nahebringen können. Eine bessere Kennzeichnung des Wechsels der Handlungsorte und/oder der handelnden Protagonisten z. B. mit *** (gekennzeichnet),  könnte das intensive Leseerlebnis noch verstärken.

Fazit:

Ich habe spannende, erschreckende, fassungslose, interessante und informative Lesestunden verbracht. Ich bin mir sicher, dass diese Geschichte in ihren Grundzügen und im Handeln und Denken der Protagonisten sehr viel historische Realität wiederspiegelt. Ich werde die Geschichte nicht so schnell vergessen. Ich kann „Teufelsbrut“ für „Liebhaber“ Historischer Romane sehr empfehlen.