Rezension

Der Teufel wohnt nicht nur im Glas, sondern in jedem von uns

Der Teufel im Glas - Natalie Mesensky

Der Teufel im Glas
von Natalie Mesensky

Bewertet mit 5 Sternen

Archäologin Anna Grass macht bei der Umbettung von Skeletten in der Michaelerkriche eine grausliche Entdeckung: zwischen den alten Knochen ist die frische Leiche eines Priesters vergraben. Noch dazu in einer unüblichen Haltung - bäuchlings, mit einem Stein im Mund und zur Fica gekrümmten Hand.
Major Paul Kandler ermittelt wieder und kann dem Gerede über „Wiedergänger“ und ähnlichem nichts abgewinnen. Doch als dann ein weiterer Priester tot aufgefunden wird – diesmal auf den Fußboden genagelt, zieht Kandler auf Wunsch des Sektionschefs Zeller sowohl Anna, als Spezialistin für alte Bestattungsriten und Prof. Kolma als Psychiater bei.
Die Zusammenarbeit Annas mit Kolma gestaltet sich schwierig, weil auch der Professor Geheimnisse zu haben scheint und sich die Archäologin von ihm bedrängt fühlt.
Als dann noch Annas Schwager Hans auf den Plan tritt und sie mit Kolmas Mutter bekannt macht, scheint es eine Verbindung in längst vergangen geglaubte Tage zu geben.
Was haben die Familie Kolma und die Familie ihres Schwagers zu vertuschen? Und wie passt Pater Johannes, der sanftmütige, der auf Kolma ungewöhnlich reagiert, dazu?

Natalie Mesensky hat wieder einen psychologisch gut aufgebauten Krimi geschrieben. Geschickt vermengt sie Gegenwart mit Vergangenheit. Vertuschen ist wieder einmal angesagt im schönen Wien. Menschen, durch Familiengeheimnisse aneinander gekettet, finden manchmal nur extreme Auswege, mit dem Erlebtem fertig zu werden.
Prof. Kolma ist so ein Charakter. Von der grausamen, alten Mutter drangsaliert („Manche Linien müssen einfach aussterben. S.CC), von den eigenen Dämonen gejagt und immer im Schatten des übermächtigen Vaters stehend, vollzieht er letztlich sein eigenes Schicksal.
Auch unsere Anna hat es nicht leicht. Im Vorgängerband („Im Namen der Venus“) einem Serienmörder gerade noch entkommen, ist sie an Körper und Geist noch rekonvaleszent. Doch statt in ihrer eigenen Familie Unterstützung zu finden, wird ihr angeknackstes Selbstvertrauen („du kannst nie pünktlich sein. Du bist das schwarze Schaf der Familie, etc.) weiter untergraben. Rückhalt findet sie nur in ihrem Freundeskreis zu dem Paul Kandler, Dr. Bauer und Ines, blöderweise die Tochter von Pauls Sektionschef, zählen.
Interessant sind die Verstrickungen der einzelnen Familien bzw. Generationen mit- und untereinander. Man könnte glauben, dass Wien, die Hauptstadt Österreichs mit knapp 2 Mio Einwohnern, ein kleines Dorf ist. Allerdings ist es schon klar, dass sich im Umfeld der „Hietzinger Cottage Gesellschaft“ immer wieder die selben Leute über den Weg laufen. Man will ja unter sich bleiben und „keine armen Leute hier wohnen haben“ (oh-Ton der kleinen Nichte Beatrice-Sophie).

Mir gefällt die subtile Art der Autorin das aktuelle Wien dazustellen. Die Kolmas und Steiners sind noch immer nicht ausgestorben. Sie tragen ihr oft reaktionäres Gedankengut in die nächste Generation weiter.

Schön auch die Beschreibung des Karmeliterviertels. Das Haus, das als Vorbild für Kolmas Domizil gilt, kenne ich. Der Dachausbau ist wirklich scheußlich.

Kandler und Dr. Bauer wirken manchmal wie ein lange verheiratetes Ehepaar. Dass Paul grantelt ist für mich nicht verwunderlich, bekommt er doch von seiner Gattin, Psychologin Rosa, nur „G’sundes“ zum Essen. Selbst im Gasthaus wird Paul von Rosa bevormundet. Doch wie wir wissen, „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“. In diesem Zusammenhang ist in der Leserunde auch der Begriff „Essenskastration“ gefallen, der Pauls Situation auf den Punkt bringt.

Ich gehe nun davon aus, dass es noch mindestens einen Krimi mit Anna und Co geben wird, ist doch Dr. Bauer in Anna verschossen. Doch auch Paul und Anna sind einander -  noch in aller Form – zugeneigt.