Rezension

Der Weg aus Unterdrückung und Gewalt zu einem neuen Leben in Freiheit

Ich wähle die Freiheit - Chalat Saeed

Ich wähle die Freiheit
von Chalat Saeed

Bewertet mit 4 Sternen

Chalat Saeed erzählt ihre Geschichte - ihr Leben, geprägt von Zwangsheirat, Gewalt und grenzenloser Unterdrückung.

Aufgewachsen im Irak stand sie unter dem Schutz ihres Vaters, der dafür gesorgt hat, dass ihr auch nach seinem frühen Tod keine Gewalt zugefügt wird. So besuchte sie die Schule, welche sie als Klassenbeste mit viel Potenzial im Alter von zehn Jahren verlassen musste, um ihrer Mutter im Haushalt zu helfen und die Aufgaben einer frommen und gefügigen Frau zu erlernen.
Verkauft wurde sie für zwölf Goldringe mit 14 Jahren an einen älteren Mann, der Bezüge zum IS hatte und ihr keinerlei Freiheiten gewährte. Mehr als einmal musste sie unter seiner Gewalt leiden und wäre bei einer dieser Attacken beinahe tot geprügelt worden. Ihre Familie? Die schaut einfach wort- und tatenlos zu und versucht so, ihr Ansehen zu bewahren. Eine Scheidung? Unmöglich, ohne die Kinder zu verlieren.

Erzählt wird eine sehr berührende und erschreckende Geschichte, die zugleich wachrüttelt und zeigt, wie schlecht es vielen Frauen auf der Welt auch heute noch geht und wie machtlos sie in vielen Fällen sind. Sie werden unterdrückt, genießen kaum Bildung und werden eingesperrt. Nur wenigen gelingt die Flucht und die Hoffnung auf ein besseres Leben.

Bereits das Vorwort, welches von der ältesten Tochter geschrieben wurde, macht deutlich, wie viel Überwindung es Chalat Saeed gekostet hat, dieses Buch zu schreiben und zu veröffentlichen, denn noch immer hat sie Angst vor ihrer Familie und insbesondere vor ihrem Mann. Dennoch hat sie es gewagt und uns Lesern einen Einblick in ihr Leben und in das vieler anderer Frauen gewährt.
Dieser Einblick ist aus meiner Sicht gelungen. Es ist eine Geschichte, die viel Potenzial und wichtige Aspekte enthält, die zum Teil auch mögliche Vorurteile gegenüber den Frauen ausräumen können.

Der Schreibstil ist jedoch aus meiner Sicht gewöhnungsbedürftig. Er ist zumeist gekennzeichnet durch eine einfache Satzstruktur und somit auch durch kurze Sätze. Auch wenn dies zu der Autorin passt, da sie erst seit wenigen Jahren in Deutschland ist, benötigte ich Zeit, mit dem Schreibstil warm zu werden.
Zwischenzeitlich kommt Chalat Saeeds Stimme leider nicht ganz durch, sondern es werden mehr oder weniger nüchtern die Fakten ihres Lebens geschildert. Dies ist jedoch nur teilweise so und kann ihr nicht verübelt werden, da dies zumeist bei der Beschreibung traumatischer sowie einschneidender Erlebnisse der Fall ist. Besonders gegen Ende des Buches ist jedoch die erhoffte Reflexion ihres Lebens und mehr Tiefgang vorhanden. Sie äußert interessante Gedanken und wirkt authentischer als zuvor - schade, dass dies nicht durchgehend der Fall war.

Auffällig ist ebenfalls, dass diese Biographie in Roman-Form geschrieben ist und von Dialogen lebt. Die Geschehnisse werden zumeist nicht reflektiert, sondern aus Sicht der Chalat geschildert, die sie in der Situation war - aus Sicht eines Kindes, einer jungen Frau, sowie aus Sicht der Chalat, die sie heute ist. Dies ist jedoch nicht negativ aufzufassen, allerdings benötigte ich dadurch ein wenig Zeit, mit der Geschichte warm zu werden.

Ebenfalls ein wenig schade fand ich, dass der Lebensabschnitt ihrer Flucht und ihrer Ankunft in Deutschland nicht thematisiert wird. Dies wäre meiner Meinung nach ebenfalls sehr spannend gewesen, aber wahrscheinlich hätte dies den Rahmen gesprengt. Immerhin wird auf das Buch ihrer ältesten Tochter verwiesen, welches sie später einmal schreiben möchte. So erhält der Leser vielleicht die Chance, diesen Lebensabschnitt noch einmal lesen zu können.

Alles in allem ist die Geschichte sehr berührend und geht ans Herz. Die Geschichte - die wahren Ereignisse - sind erschreckend. Umso wichtiger finde ich, mit diesem Thema an die Öffentlichkeit zu gehen, zu zeigen, diese Frauen und ihr Schicksal gibt es wirklich, auch noch im 21. Jahrhundert!