Rezension

Der Weg ist das Ziel

Der Sonne nach - Gabriele Clima

Der Sonne nach
von Gabriele Clima

Bewertet mit 4 Sternen

Dario ist ein wütendes Ärgernis; für seine Lehrerin, für den Direktor, und manchmal auch für seine Mutter. Eigentlich will er nur seine Ruhe haben und raucht gerne mal einen Joint, um sich aus der Welt auszuklinken. Vor allem aber will er nicht ständig Niete genannt oder als abfälliger Grund benannt werden, warum Darios Vater die Familie vor neun Jahren verlassen hat. Dieser Umstand ist für den Jungen ein wunder Punkt. Es ist eine Sache ohne einen Vater aufzuwachsen, aber eine andere sich für den Grund zu halten, warum dieser gegangen ist. Unterschwellig nagte diese Vermutung immer an Dario.
Als die furchtbare Lehrerin Dario mal wieder zur Weißglut bringt, als sie sagt, wegen ihm sei der Vater doch überhaupt erst abgehauen, hilft auch kein Gras mehr. In seiner Wut wirft er die Klassenzimmertür hinter sich so feste zu, dass der Griff abbricht und durch die Gegend fliegt. Ins Büro des Direktors zitiert, wird ihm zur Strafe aufgebrummt, sich zusammen mit einem Mädchen namens Elisa um den behinderten Andy zu kümmern, der an seinen Rollstuhl gefesselt ist. Schnell stellt Dario fest, dass Elisa eine blöde Kuh ist, die Andy nicht wie einen Menschen behandelt, sondern eben wie einen Behindi. Dario und Andy sind sofort freundschaftlich miteinander verbunden, allerdings interveniert Elisa ständig, weil sie Andy unterschätzt und ihn immer bemuttert und bevormundet, während Dario ihm auch mal was zutrauen möchte.
In einer Kurzschlussreaktion haut Dario ab und nimmt Andy einfach mit. Er will seinen Vater finden und lässt sich nicht von den wiederholten Anrufen des Direktors ablenken, der ihm mit Jugendknast droht. Während die Tage auf der Reise durch Italien mit Andy vergehen, ist Dario vor einige Herausforderungen mit dem eingeschränkten Jungen gestellt, aber irgendwie meistert er sie immer. Dabei behandelt und spricht er mit Andy eigentlich immer so als wäre dieser ein ganz normaler Kerl ohne Einschränkungen, weil er die nonverbalen Zeichen des Jungen so zu deuten weiß wie offenbar keiner vor ihm. Unter ihm blüht Andy nicht nur auf, sondern entwickelt sich weiter. 
Am Ende ihres abenteuerlichen Roadtrips finden sie tatsächlich Darios Vater. Aber anders als er diesen in Erinnerung hatte, erwartet den Sohn eine traurige Version seines früheren Idols. Die Frage, warum er die Familie verlassen hat, kann der Vater nicht beantworten. Dario muss erkennen, dass nicht beim Vater Antworten liegen und dieser nicht der Schlüssel zu Darios Glück ist. Desillusioniert nimmt Dario Abschied von seinem Vater und stellt sich der Konsequenz seines Handelns. Zu Hause angekommen rechnet er mit der angedrohten Jugendstrafanstalt, aber trotz Strafe erhält er auch Wertschätzung, denn unter Darios Fürsorge ist Andy auch etwas selbstständiger in seiner Behinderung geworden.

Das Buch beschreibt sich selbst mit „Ziemlich beste Freunde“ als Jugendbuch, und am ehesten lässt es sich mit dem französischen Film wohl auch vergleichen. Der Inhalt ist offensichtlich bewusst teilweise etwas stereotyp geschrieben. Schon auf den ersten paar Seiten erkennt man ganz klar, wer für und wer gegen den Jugendlichen ist. Die „Bösen“, die den nach Freiheit drängenden Dario einfach nicht so sein lassen wollen wie er möchte, werden klar gekennzeichnet. Was mir aber wirklich gut gefiel, war die Zwiesprache zwischen Andy und Dario, die eine schöne Ergänzung zu Andys unfertiger geäußerter Sprache ist.
Manche Szenarien wirken allerdings etwas konstruiert, wie z.B. dass einem den Obrigkeiten derart verantwortungslos und gewalttätig erscheinender Jugendlicher ein behinderter Rollstuhlfahrer einfach so anvertraut wird. Diese konstruierten Szenen haben mich als erwachsene Leserin etwas gestört, auf die Zielgruppe wirkt es vielleicht anders. Die Kapitel sind allesamt überschaubar kurz gehalten, und der Einstieg in die Lektüre fällt leicht. Gerade für eher leseschwächere Jungs, die vielleicht ähnliche Probleme wie Dario haben, könnte ich mir das Buch passend vorstellen. Vielleser könnten sich unabhängig vom Inhalt aufgrund der Kürze des Buches aber womöglich langweilen.