Rezension

Derber Lesespaß

Das Dickicht - Joe R. Lansdale

Das Dickicht
von Joe R. Lansdale

Bewertet mit 5 Sternen

Im Osten von Texas zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Jacks Schwester wird von Banditen entführt und der junge Bursche nimmt die Verfolgung auf. Er ist nicht allein, denn ein Zwerg, der Sohn eines Sklaven, eine Dame aus dem horizontalen Gewerbe, und ein Eber stehen ihm bei, als es ab in das Dickicht geht.

"Das Dickicht" ist in gefährlicher Ort und ein genialer Roman, welcher der Feder des großartigen Joe R. Lansdales entsprungen ist. Es ist schwierig dieses Buch in ein Genre einzuordnen, denn es ist eine humorvolle Mischung aus Abenteuergeschichte und Drama mit Krimianteil. Allgemein wird Lansdales Stil Southern Gothic genannt. 

Nun endlich zur Handlung, die rasch erklärt ist. Jacks Eltern sterben an den Windpocken. Daher werden Jack und seine Schwester vom Großvater zu einer Tante gebracht. Bei der Tante kommen sie allerdings nicht an, weil unterwegs Furchtbares geschieht - unter anderem wird Jacks Schwester von Banditen entführt. Natürlich will er sie unbedingt zurück und nimmt die Verfolgung auf.

Diese Verfolgungsjagd ist der Hauptbestandteil des Romans. Sie geht einen irren Weg, bei dem man beim Lesen nur den Kopf vor Lachen schütteln kann. Jack ist nämlich nicht allein. Er findet Gefährten, die ihm zur Seite stehen, auch wenn sie eher gewöhnungsbedürftig sind. 

"Sonst fragt sich noch wer, was ein Nigger, ein Liliputaner, ein Junge, eine Hure und ein hässlicher Keiler hier draußen verloren haben." (S. 131)

Jack blickt nach Jahren auf dieses Abenteuer seiner Jugend in der Ich-Perspektive zurück. Dementsprechend kindlich-naiv und deutlich grün hinter den Ohren, trifft er auf die Menschen, die ihm - nach langem Hin- und Her inklusive Bestechung! - zur Seite stehen.

Shorty ist ein Zwerg, feiner ausgedrückt auch Liliputaner genannt. Meiner Meinung nach ist er der stärkste Charakter dieser Truppe, der zwischendurch zu philosophischen Betrachtungen neigt.

Eustace, Sohn eines Sklaven und seiner Ansicht nach ein Cousin von Jack, geht schon mal mit dem Kopf durch die Wand, wenn er Alkohol erwischt.

Jimmie Sue ist die Dame in der Runde. Aufgegabelt im und gerettet aus dem Freudenhaus, macht sie sich mit diesem ungewöhnlichen Trupp zur Suche nach Jacks Schwester auf. 

Keiler, im wahrsten Sinne des Wortes eine Sau, ergänzt mit seinem charmanten Wesen und tierischem Charakter die Runde. Er ist mit grunzender Begeisterung bei Auseinandersetzungen dabei.

So etwas habe ich noch nicht gelesen! Ein Zwerg, ein Schwarzer, ein Junge, eine Prostituierte und ein Eber gehen auf Ganovenjagd! Allein schon diese Idee lässt mich vor Lansdale den Hut ziehen. Besonders interessant ist, dass der Autor Figuren aus gesellschaftlichen Randpositionen nimmt, und sie zu den Helden seines Romans macht. Dabei lässt er keine Grauschattierungen aus, und weist daraufhin, dass gute und böse Menschen manchmal nicht viel voneinander trennt - es kommt immer auf die Bedingungen an.

Die Handlung lebt von ihren Charakteren, den amüsant-derben Dialogen, und dieser unbeschreiblichen Atmosphäre, die Lansdale so eigen ist. Seine Figuren atmen, die Umgebung ist real, und am Abend tut einem der Hintern weh, weil man zu lange im Sattel gesessen ist.

Obwohl es nach einer witzigen Geschichte klingt, hat sie dramatische Züge, die erschütternd zu lesen sind. Gleichzeitig treibt einen Lansdale vor Lachen die Tränen in die Augen, trotzdem das Geschehen tragisch ist!

Lansdales roher Sprachgebrauch ist bestimmt nicht für jeden geeignet. Er schreibt derb, teilweise obszön und nimmt kein Blatt vor den Mund. Wer das nicht verträgt, sollte es bleiben lassen. Für andere ist dadurch Lesespaß garantiert!

Meiner Meinung nach ist dieses Buch ein weiteres Meisterwerk des großartigen Joe R. Lansdales. Western-Stil, bärbeißiges Gebaren und gesellschaftskritische Töne im historischem Rahmen werden zu einem wilden Abenteuer, das einen - trotz tragisch-brutaler Handlung -  mit einem Grinsen im Gesicht durch das Dickicht von Texas pirschen lässt.